Mit dem Strohhut raus ins Grüne: Die Inszenierung naturnaher Idyllen ist gerade das Nonplusultra in den sozialen Netzwerken.

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David Beckham ist für seine Wandelbarkeit bekannt. Man sah ihn schon in Fußballstutzen, Jogginghosen, im cremefarbenen Hochzeitsoutfit, im Dreiteiler, gesträhnt wie rasiert. Jetzt zeigt der Ex-Fußballer eine andere Facette von sich. Er posiert auf seinem Landsitz in der Grafschaft Hertfordshire im Cardigan, mit Wanderstock und Hut vor blühendem Raps und Margeriten. Regelmäßig teilt er diesen neuen Beckham mit seinen fast 64 Millionen Followern. Wüsste man nicht, dass es sich bei dem 45-Jährigen um einen Multimillionär handelt, man könnte glauben, da stehe ein fotogener Ökobauer auf seinem Feld herum.

Beckham steht mit seiner neu entdeckten Naturverbundenheit nicht allein da. "Cottagecore" nennt sich der Trend, der nicht erst seit gestern in den Social-Media-Kanälen kursiert. Auf Instagram wurden unter dem gleichlautenden Hashtag bereits knapp 468.000 Bilder abgelegt, auf Tiktok werden Rosenhecken geschnitten, Brot gebacken, Sirup hergestellt, junge Menschen streifen durch die Landschaft. Hier scheint Corona weit, weit weg.

Die Lust an der Selbstinszenierung in idyllischem Grün macht aber auch nicht vor Politikern (zuletzt der grüne deutsche Pferdeflüsterer Robert Habeck) und österreichischen Aufdeckerjournalisten halt. Wer es bis jetzt nicht wusste: Der Chefredakteur des "Falter" schreibt seine Investigativgeschichten in einer (selbst) umgebauten Scheune mit Blick in die Natur, zum Frühstück mit Claudia Stöckl gab's Erdbeeren und Kirschen, die wie frisch gepflückt aussahen: In Eichgraben ist die Welt offenbar noch in Ordnung.

Selbst das italienische Modehaus Gucci setzt in seinem aktuellen Kampagnenvideo Models in der freien Wildbahn zwischen grasenden Rehen und schnatternden Enten aus. Man küsst Frösche und geht mit Igeln und Hasen auf Tuchfühlung. Wer will da noch behaupten, in der Großstadt Maske tragend U-Bahn fahren zu wollen? Die privilegierten Teilzeitaussteiger haben derzeit das Ruder in der Hand.

GUCCI

Die Mode hat längst reagiert auf das dringende Bedürfnis nach dem "Leben auf dem Land", auch wenn dabei alle Klischees bedient werden. Labels wie Horror Vacui haben sich eingeschossen auf den "Little Women"-Chic: In verrüschten weißen Kleidern werden barfuß Berge bestiegen – und wenn's regnet, eine Barbourjacke (entworfen von Alexa Chung) übergeworfen.

Sogar Designerin Victoria Beckham, Ausstatterin der modebewussten Großstädterin, hat mittlerweile verstanden, dass der Ehemann mit seinen Strick-Cardigans gar nicht so falsch liegt. Sie ließ sich bereits zu einem gemeinsamen Bild vor einem Rapsblütenfeld überreden. Geht doch. (Anne Feldkamp, 6.8.2020)