Worin die Schande besteht, hätte man deutlicher machen können.

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Andere Länder haben es besser. Dort können sich zivilisatorische Selbstreinungsbestrebungen an den Denkmälern von Sklavenhändlern und -haltern abarbeiten, was von einer moralischen Eindeutigkeit getragen ist, von der hiesige Denkmalstürmer nur träumen können. Über das Ausstopfen einer schwarzen Exzellenz ist man schon mangels Kolonien hierzulande nicht hinausgekommen, und wer würde das einem guten Kaiser heute nachtragen?

In einem Land, das Austro- und Nazifaschismus nie seriös und erst sehr spät halbwegs aufgearbeitet hat, kommt das Thema immer wieder hoch, nicht zum ersten Mal entzündet es sich an der Figur des Bürgermeisters Karl Lueger. Den Sockel seines Denkmals mit der Aufschrift "Schande" zu verzieren dürfte den Aufklärungszweck nicht optimal erfüllen, so zeitgeschichtlich unbedarft viele junge Menschen österreichische Schulen verlassen. Worin die Schande besteht, hätte man deutlicher machen können.

Der "Presse"-Kolumnist, der es weiß, verfiel ob der Schande in konvulsivischen FPÖ-Jargon: "Niemand hat das Recht, uns vorzuschreiben, woran wir uns erinnern dürfen und was wir vergessen müssen." Dieses auf eine imaginäre Volksgemeinschaft abhebende "Wir" und "Uns" soll jene ausschließen, die Antisemitismus für kein Kavaliersdelikt halten, sondern ihn gerade in der Zeit eines immer frecher auftretenden Rassismus thematisieren wollen. Die kommunalpolitischen Leistungen Luegers ließen sich ja vielleicht würdigen, indem man ihn von seinem hohen Sockel holt und mit den Füßen auf den Boden der Stadt stellt, in der er sie vollbracht hat.

Ein Denkmal kann nie für die gesamte Gesellschaft sprechen, meinte eine Expertin in dieser Zeitung, was offensichtlich für Monumente gilt, mit denen in der Vergangenheit Politiker geehrt werden sollten. Für die Zukunft könnte man sich vornehmen, dass kein Politiker mehr monumental geehrt wird, der gegen die verfassungsmäßigen Grundsätze der demokratischen Republik verstößt. Ein Sicherheitsabstand von hundert Jahren zwischen Ableben und Denkmalweihe könnte da mehr Sicherheit des Urteils gewährleisten, als sie in Österreich derzeit herrscht. Schließlich gibt es Denkmäler für Politiker, die schon einmal bei der Abschaffung der Demokratie mit von der Partie gewesen sind.

Voraussetzung dafür war ein demokratischer Läuterungsprozess, der anzuerkennen ist, aber nicht so weit gereicht hat, nach dem Zweiten Weltkrieg das Unrecht an jüdischen Österreicherinnen und Österreichern auch nur andeutungsweise gutzumachen, das seine Wurzeln auch im Antisemitismus eines Lueger hatte. Von einem Jewish Welcome Service konnte keine Rede sein, da musste erst ein Jude kommen. Dafür durfte in Luegers Stadt eine abgelaufene Regierungspartei ein Denkmal für sogenannte Trümmerfrauen errichten, das auf hinterfotzige Weise NS-Ideologie wachhalten soll. Schande? Oder mehr?

Vielleicht sollte man die Aufmerksamkeit überhaupt mehr auf Politiker richten, die sich dem Fernsehvolk schon zu frühen Lebzeiten als Denkmalkandidaten präsentieren und glauben, es in dieser Rolle mit der Verfassung und dem Respekt vor dem Parlament nicht besonders genau nehmen zu müssen. Das könnte späteren Denkmalärger ersparen. (Günter Traxler, 23.7.2020)