Wie locker sitzt das Geld im Landtagsklub der FPÖ Niederösterreich? Recherchen von STANDARD und "Profil" zeigten zuletzt: ziemlich locker. Fast 10.000 Euro bekommt das Rallye-Team eines blauen Gemeinderats pro Jahr aus Klubgeldern. Gleichzeitig förderte ein Beleg, der den beiden Medien zugespielt wurde, die Vermutung, es könnten sogar private Ausgaben Waldhäusls über den Klub abgerechnet worden sein.

Es handelt sich um die Fotokopie eines Zahlscheins aus dem Jahr 2011. Eine Überweisung an den Abfallverband Waidhofen über 306,33 Euro – die Müllgebühr für den Wohnsitz von Gottfried Waldhäusl (FPÖ), heute Landesrat in Niederösterreich, davor Klubobmann im Landtag. Direkt darunter: der Stempel des blauen Landtagsklubs. Hat Waldhäusl private Ausgaben vom Klub bezahlen lassen? Ausgerechnet Waldhäusl, der den Ex-Parteichef Heinz-Christian Strache wegen ähnlicher Vorwürfe so heftig kritisierte? Es schien klar: Da kommt der nächste blaue Spesenskandal.

Spannende Erklärung

Doch es gibt keinen Beweis dafür, dass hier etwas Unrechtes geschehen wäre: Die Freiheitlichen haben eine gute, spannende Erklärung dafür, wie der Stempel auf dem Erlagschein gelandet ist – ohne dass sich Waldhäusl bereichert hätte. Allerdings zeichnet die Geschichte dieser Recherche ein interessantes Bild vom Innenleben des freiheitlichen Landtagsklubs unter der Führung von Gottfried Waldhäusl (2008 bis 2018).

Gottfried Waldhäusls Kundennummer beim Abfallverband der Stadt Waidhofen – und direkt darunter der Stempel des Freiheitlichen Landtagsklubs.

"Irrtümliche Überweisung"

Doch der Reihe nach. Als "Profil" und STANDARD das erste Mal fragten, wie der Stempel auf dem Erlagschein landen konnte, gab ein Sprecher zunächst zu, dass der Klub bezahlt hätte: Es sei richtig, dass der Betrag "irrtümlich vom Konto des FPÖ-Klubs überwiesen wurde".

Das wurde so erklärt: Der Zahlschein sei "versehentlich nach dem Abzeichnen eines Stapels von für den Klub nötigen Überweisungen und privater Zahlungen gemeinsam mit einem Mitarbeiter zur Überweisung gebracht" worden. Doch "als man gleich darauf die unrichtige Überweisung bemerkte, wurde das Geld vom damaligen Klubobmann Gottfried Waldhäusl sofort intern rückverrechnet".

Doch keine Überweisung

Das irritiert mehr, als es erklärt: Im Landtagsklub werden private Rechnungen Waldhäusls mit solchen des Klubs durcheinandergebracht? Wie gelangen überhaupt persönliche Erlagscheine des Klubchefs dorthin? Genau das fragten die recherchierenden Medien – und erhielten nun eine gänzlich neue Version der Geschichte.

Die Nachforschungen der Steuerberatung hätten ergeben, dass es "nachweislich KEINE Überweisung des Klubs" gegeben habe, schreibt der Sprecher nun. "Der besagte Irrtum bezieht sich lediglich darauf, dass versehentlich der Stempel des Klubs auf dem privaten Beleg landete." Waldhäusl habe den Betrag von Anfang an selbst bezahlt. Weil er fast täglich vom Waldviertel nach St. Pölten pendelte, habe er bestimmte Erledigungen wie den Weg zur Bank "als logische Konsequenz vor Ort" in der Landeshauptstadt erledigt.

Erich Schreiner erklärt sehr ausführlich, dass die Gebühr nicht vom Klub bezahlt wurde.
Foto: zvg

Ein alter Bekannter

Einige Tage später schickt der Sprecher noch ein Dokument nach: Es ist ein Schreiben des Steuerberaters, der die aktuelle Version der Freiheitlichen bestätigen soll. Und dieser Steuerberater ist nicht irgendjemand – sondern Erich Schreiner. Ein Ex-FPÖler, der im Zuge der Affäre Rosenstingl Anfang der 2000er-Jahre aus der Partei ausgeschlossen wurde. Mit Waldhäusl verbinden ihn langjährige Geschäftsbeziehungen: Schreiner übernahm zwischenzeitig Waldhäusls Firma, als dieser Landesrat mit Berufsverbot wurde.

Der Steuerberater bestätigt in dem Brief: Im Jahr 2011 sind vom Klubkonto keine 306,33 Euro an den Abfallverband Waidhofen/Thaya überwiesen worden. Nachsatz: Für die "Bearbeitung der Belegsammlung" sind die Mitarbeiter des Landtagsbüros zuständig, Schreiners Kanzlei ist "in einer beratenden Funktion bei ,offenen belegtechnischen Fragen‘ behilflich". Und: Man gehe davon aus, dass "unsere langjährige Mitarbeiterin, die den freiheitlichen Landtagsklub betreut", eine Überweisung an den Abfallverband "als nicht gerechtfertigte Aufwandsposition" erkannt hätte.

Beleg-Durcheinander und Geschäftsfreunde

Was bleibt, ist kein Skandal, aber ein Einblick in die Arbeit des Klubs: Da liegen private Erlagscheine neben beruflichen herum – und das so nah beieinander, dass da schon einmal versehentlich die Müllrechnung des Klubchefs abgestempelt werden kann. Wie es dazu kam, dafür gibt es zuerst eine fragwürdige Erklärung und dann eine weniger fragwürdige. Und bestätigt wird die letzte Version von einem Geschäftsfreund Waldhäusls, den der Landtagsklub für seine Steuerberatung engagiert. (Sebastian Fellner, 24.07.2020)