Vor kurzem hat der Internationale Sportgerichtshof (CAS) ein bemerkenswertes Urteil gefällt: Manchester City, ein Schwergewicht des englischen und europäischen Klubfußballs, wurde vom Vorwurf des Verstoßes gegen die Finanzregeln (Financial Fairplay) des Europäischen Fußballverbandes (Uefa) freigesprochen. Zuvor hatte die Uefa im Februar einen zweijährigen Ausschluss von allen europäischen Wettbewerben ausgesprochen, weil dem Verein anscheinend unrechtmäßige Geldzuwendungen von seinen arabischen Investoren zugeflossen sind. Außerdem wurde eine Geldstrafe von 30 Millionen Euro verhängt. Das Urteil des CAS hebt die Sperre auf und reduziert die Strafe auf zehn Millionen Euro. Die Richter begründen dies mit einer mangelnden Beweislage, einer teilweisen Verjährung der Vorwürfe und einer Unverhältnismäßigkeit der Sanktionen. Die Reststrafe von zehn Millionen Euro wird mit der mangelnden Kooperation im Rahmen des Ermittlungsverfahrens argumentiert, sie ist für den Verein bestenfalls nebensächlich.

Abgesehen vom betroffenen Verein, der sich bestärkt sieht und sogar eine Entschuldigung der Uefa einfordert, befürchten Kritiker das Ende des Financial Fairplay und sprechen von einem schwarzen Tag für den Fußball. Um aber das Urteil und dessen Konsequenzen für den internationalen Fußball einordnen zu können, muss man zunächst die ökonomischen Besonderheiten einer Sportliga verstehen.

Ausgeglichenheit als Credo des Ligensports

Eine Sportliga lässt sich ähnlich einem Kartell als Zusammenschluss von mehreren Unternehmen (Vereinen) betrachten. Das gemeinsame Ziel besteht in der Produktion und Vermarktung einer Dienstleistung, die im Weitesten mit Unterhaltung zu tun hat. Diese wird wiederum wesentlich durch die Spannung und Unsicherheit über den Ausgang eines Wettbewerbs bestimmt. Je ausgeglichener eine Liga ist, desto größer ist ihre Attraktivität und damit die Nachfrage von Zuschauern und Sponsoren. Auf diese Eigenheit von Sportmärkten haben bereits die amerikanischen Ökonomen Simon Rottenberg und Walter Neale in den 50er- und 60er-Jahren des letzten Jahrhunderts aufmerksam gemacht. Sie markiert die Geburtsstunde der Sportökonomik und ging als Louis-Schmeling-Paradoxon in die Literatur ein.

Die Mitglieder (Vereine) einer Liga trachten hingegen danach, ihren eigenen wirtschaftlichen Erfolg zu erhöhen. Dieser wird letztlich durch die sportliche Leistung determiniert. Aus der Sicht eines Vereins ist es daher rational, in den sportlichen Erfolg zu investieren. Namhafte Spieler und Superstars steigern nicht nur die Siegwahrscheinlichkeit, sie verbessern auch den Wiedererkennungswert, die Markenbildung und damit den kommerziellen Erfolg eines Vereins. Sie kosten aber auch Geld. In den letzten Jahren lässt sich ein Anstieg von Transfersummen und Spielergehältern beobachten, der mittlerweile schwindelerregende Ausmaße annimmt. Gleichzeitig sind aber die Einnahmen aus dem Kartenverkauf begrenzt und die Zuweisungen aus dem Verkauf von TV-Rechten für einen Verein zumindest kurzfristig gedeckelt. Damit verbleibt als Finanzierungsquelle das Sponsoring durch Unternehmen, Mäzene oder – wie im Falle von Manchester City – staatsnahe Organisationen. Das Engagement von Sponsoren kann allerdings die Ausgeglichenheit zwischen den Vereinen verschlechtern, was offensichtlich mit den Zielen einer Sportliga kollidiert.

Manchester Citys Uefa-Sperre wurde aufgehoben.
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Umverteilungsmechanismen und Marktregulierung im Ligensport

Sportligen versuchen derartige Wettbewerbsverzerrungen in vielfältiger Weise zu verhindern. Die amerikanischen Profiligen setzen beispielsweise vorwiegend auf umverteilende Maßnahmen, zum Beispiel Gehaltsobergrenzen, Teilung von Ticketeinnahmen (gate sharing) oder Auswahl- und Zuteilungsverfahren für Nachwuchsspieler (draft system). Die Umsetzung dieser Praktiken wird durch das Format der geschlossenen Liga (Franchising-System ohne Auf- und Abstieg) begünstigt. Die europäischen Ligen repräsentieren hingegen offene Systeme mit einem Auf- und Abstieg, sie stehen länderweise nebeneinander und kommen nur im Rahmen der europäischen Wettbewerbe miteinander in Berührung. Umverteilungsmechanismen wie in den amerikanischen Ligen erweisen sich daher als weitgehend unpraktikabel, sieht man von den sehr unterschiedlich ausgestalteten Einnahmenaufteilungen aus TV-Rechten ab. Die Sportmärkte werden vielmehr direkt reguliert. Dabei wird insbesondere die Rolle von externen Kapitalgebern und Sponsoren ins Visier genommen. In der Deutschen Bundesliga gilt etwa die 50+1-Regel, wonach es einem Investor nicht möglich ist, eine Stimmenmehrheit in einer Kapitalgesellschaft zu erhalten, in die ein Fußballklub seine Profimannschaft ausgegliedert hat.

Die europäische Lösung: Financial Fairplay

In eine ähnliche Kerbe schlägt die Uefa mit dem Financial Fairplay (FFP), das 2011 ins Leben gerufen und in der Saison 2013/14 erstmals angewendet wurde. Das FFP zielt darauf ab, die Ausgeglichenheit im europäischen Fußball aufrechtzuerhalten und die finanzielle Gesundheit der beteiligten Vereine zu sichern. Zentral ist dabei die Break-even-Regel, die für einen längerfristigen Ausgleich zwischen Ausgaben und Einnahmen eines Vereins sorgen soll. Maximal zulässig ist eine Abweichung von fünf Millionen Euro innerhalb von drei Spielzeiten beziehungsweise 30 Millionen Euro, wenn ein Investor die Differenz zur Toleranzgrenze von fünf Millionen Euro abdeckt. Das FFP sieht eine Reihe von Ausnahmen von der Break-even-Regel vor, zum Beispiel für die Nachwuchsarbeit, den Frauenfußball oder einen Stadionneu- beziehungsweise -umbau. Die Sanktionen bei Verletzung des FFP reichen von Ermahnungen, Bußgeldern oder Transfersperren bis zu Punkteabzügen und dem Ausschluss von Uefa-Wettbewerben (Europa- und Champions League). Letzteres trifft einen Verein wie Manchester City besonders hart, weil mit der Teilnahme an europäischen Bewerben nicht nur sportliches Renommee, sondern auch erhebliche Einnahmen verbunden sind.

Das FFP wurde von Anfang an als problematisch angesehen. Der Hauptkritikpunkt bezieht sich auf Schlupflöcher und Umgehungsmöglichkeiten, welche die FFP-Regelungen bieten. Entsprechende Praktiken sind in der Enthüllungsplattform Football-Leaks umfangreich dokumentiert. Sie reichen von überbewerteten Sponsoringverträgen bis zu fragwürdigen Gegengeschäften bei Spielertransfers. Hinzu kommt, dass die zugrundeliegenden Geschäftsfälle kompliziert und daher die entsprechenden Verfahren umfangreich und langwierig sind. Außerdem sind sie kostspielig, was der Uefa den Vorwurf einträgt, nur die kleineren und finanzschwachen Vereine erfolgreich sanktionieren zu können. Größere Vereine können sich hingegen spezialisierte Vertretungen leisten und haben dementsprechend höhere Erfolgsaussichten in den meist hochkomplexen Verfahren. Das Urteil des CAS scheint jedenfalls in diese Richtung zu deuten, wenn davon die Rede ist, dass die Beweislage für einen eindeutigen Schuldspruch nicht ausreicht. Den Richtern des CAS blieb wahrscheinlich gar nichts anderes übrig, als im Zweifel für den Angeklagten zu sprechen.

Wie geht es weiter?

Ob das Urteil das Ende des FFP einläutet und wie es mit dem europäischen Klubfußball weitergeht, wird wesentlich von der Reaktion der brüskierten Uefa abhängen. Für die europäischen Top-Fünf-Fußballligen lässt sich jedenfalls empirisch zeigen, dass ihre Ausgeglichenheit seit Einführung des FFP nicht zu-, sondern eher abgenommen hat. Ein Überdenken der FFP-Regelungen scheint daher unabhängig vom gegenständlichen Urteil geboten. Andernfalls würde man einen irreversiblen Bedeutungsverlust des Fußballs riskieren. (Harald Oberhofer, Hannes Winner, 28.7.2020)

Harald Oberhofer ist Professor für Volkswirtschaft an der WU Wien und stellvertretender Vorstand des Instituts für Internationale Wirtschaft. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen wirtschaftliche Integration und Außenhandelsökonomie.
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Hannes Winner ist Professor für Volkswirtschaft an der Universität Salzburg. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Finanzwissenschaft und Gesundheitsökonomik. Er unterrichtet unter anderem Sportökonomik an den Universitäten Salzburg und Innsbruck.
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