Der Angeklagte erschien nicht vor Gericht, weil es laut seinem Verteidiger sein Gesundheitszustand nicht zuließ.

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Salzburg – Nach der Kirche fährt ein Auto auf dem Pfarrplatz im Salzburger Stadtteil Gneis ungebremst in eine Menschenmenge. Ein vierjähriges syrisches Mädchen wird von dem Auto erfasst und stirbt noch an der Unfallstelle in den Armen ihres Vaters. Eine 46-jährige Frau wird schwer verletzt. Ein zur Zeit des Geschehens 90-jähriger Pensionist, der laut Gutachten nicht mehr in vollem Maße fahrtauglich war, saß bei dem Unfall am 25. August 2019 am Steuer.

Am Freitag musste sich der mittlerweile 91-Jährige vor dem Salzburger Landesgericht wegen grob fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung verantworten. Der Pensionist erschien wegen seines schlechten psychischen und gesundheitlichen Zustands nicht vor Gericht. Er wollte aber, dass trotz seiner Abwesenheit verhandelt wird, sagte sein Verteidiger Kurt Jelinek. "Mein Mandant bedauert es unendlich und es tut ihm leid, was vorgefallen ist", erklärte Jelinek. Es sei ein tragischer Vorfall gewesen. Dem Pensionisten gehe es schlecht, und er sei wohl verhandlungsunfähig, doch er wolle sich der Verantwortung stellen.

Die Staatsanwaltschaft wirft ihm in der Anklage vor, als Lenker einen Fahrfehler begangen und auf 26 Stundenkilometer beschleunigt zu haben. So kam es zur Kollision mit den Fußgängerinnen. Das kleine Mädchen erlitt ein Schädel-Hirn-Trauma, für sie kam jede Hilfe zu spät. Ein Gutachten attestierte dem Mann eingeschränkte Fahrtauglichkeit aufgrund einer reduzierten Überblicksfähigkeit und einem körperlichen Unvermögen, die Pedale zu bedienen.

Forderung an Politik, Gesundheitstests einzuführen

Der Vorfall hatte eine Debatte über verpflichtende Gesundheitstests oder eine Altersbegrenzung für den Führerschein entfacht. Auch der Verteidiger des Autolenkers sagte in seinem Eingangsplädoyer, die Politik sei gefordert, ab einem gewissen Alter Untersuchungen einzuführen.

Opferanwalt Stefan Rieder verlas zwei Briefe der Eltern der Vierjährigen. Sie geben der Familie des Angeklagten eine Mitschuld, weil sie diesen weiter mit dem Auto fahren ließen. Sogar Aufkleber seien als Hilfsmittel an den Bedienungsknöpfen des Pkw angebracht gewesen. Nach dem Unfall sei das Blut am Auto abgewischt worden, ebenso seien die Aufkleber schnell entfernt worden, kritisierte der Vater.

Der Prozess dauerte nur etwa eine halbe Stunde, dann fällte Richterin Nicole Haberacker ein Urteil: Sie sprach den Pensionisten schuldig im Sinne der Anklage und verurteilte ihn zu neun Monaten bedingter Haft und einer Geldstrafe von 3.960 Euro. Zusätzlich wurde der Familie des Opfers 30.000 Euro Teilschmerzensgeld zugesprochen. Der Angeklagte nahm nach telefonischer Rücksprache mit seinem Anwalt das Urteil an. Auch der Staatsanwalt verzichtete auf Rechtsmittel. Opferanwalt Stefan Rieder gab keine Erklärung ab. (Stefanie Ruep, 24.07.2020)