Susanne Raab, Integrationsministerin, will eine Dokumentationsstelle schaffen, die sich ausschließlich mit dem politischen Islam befasst.

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Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka fordert ein Bekenntnis aller Muslime zur Verfassung, Integrationsministerin Susanne Raab will eine Dokumentationsstelle schaffen, die sich ausschließlich mit dem politischen Islam befasst, Innenminister Karl Nehammer sorgt persönlich und fotogen für Sicherheit in Favoriten. Stets schwingt dabei mit: Wenn wir’s nicht täten – Wien kümmert sich ja nicht.

Wien und seine scheinbar verfehlte Integrationspolitik: Es ist nicht schwer zu erraten, mit welchen Themen die ÖVP ihren Wahlkampf in Wien hochziehen wird. Es gäbe zwar wahrlich drängendere Probleme, wie die Corona-Krise und den darniederliegenden Arbeitsmarkt – aber die Versuchung ist wohl zu groß. Die ÖVP will die Anhänger der angeschlagenen FPÖ um jeden Preis an sich binden – da kommen die I-Themen (Integration, Islamismus) recht. Die Wiener SPÖ wiederum umgeht das Thema lieber großräumig. Sie weiß, sie kann nichts gewinnen, wenn sie erst einmal in der Rechtfertigungsspirale kreiselt. Die Frage ist, ob die ÖVP inhaltlich einen Punkt hat. Wird in Wien, wo 40 Prozent aller Einwohner Migrationshintergrund haben, zu wenig getan, um zu verhindern, dass Menschen zurückbleiben, sich isolieren und womöglich in Parallelgesellschaften abdriften? Oder ist alles übertrieben und falsch?

Schwerpunkt auf "Angebot"-Seite

Wien hat in den vergangenen Jahren sehr viel getan, um Neuankömmlinge einzugliedern und auch jene besser zu integrieren, die schon längere Zeit hier sind. Es gibt eine Unzahl von Angeboten, Möglichkeiten, es gibt Schulungen, finanzielle Unterstützungen und nicht zuletzt ein flächendeckendes Angebot an Kinderbetreuungseinrichtungen, Horten und Ganztagsschulen.

Die rot-grüne Politik legt ihren Schwerpunkt dabei auf die "Angebot"-Seite. Das ist gut so, in manchen Fällen aber tatsächlich zu wenig. Zu lange hat man in Wien jene toleriert, die nicht wollten, sich verweigerten, alle Möglichkeiten ausschlugen. Das war die Schwäche der Wiener Integrationspolitik. Sieht man sich etwa das kanadische Einwanderungssystem an oder auch die Integrationserfolge in der belgischen Stadt Mechelen, erkennt man ein Muster: fördern, aber auch fordern. Mittlerweile hat Wien das erkannt – man schaut längst näher dorthin, wo Integration nicht gelingt, und versucht gegenzusteuern. Das geschieht mitunter nicht schnell und engmaschig genug. Hier gibt es Luft nach oben, etwa im Kindergarten- und Schulbereich, wenn sich Eltern entziehen und Kinder zurückbleiben.

Wenn es dagegen um obskure Moscheenvereine geht, schließt sich der Kreis zu den türkisen Politikern auf Bundesebene. Sie sind hier am Zug. Die Polizei, vulgo das Innenministerium, muss gegen gefährliche extremistische Tendenzen entschieden vorgehen. Die Integrationsministerin wiederum sollte dringend in ihrem Ressort aufräumen. Unter türkis-blauer Regierung wurden Deutschkurse gestrichen und Frauenvereinen, die sich um Migrantinnen kümmerten, die Mittel gekürzt. Ein zusätzliches Problem: Der Integrationsfonds vergibt Studien, die zwar offensichtlich Stereotype über Migranten befeuern, aber kaum wissenschaftlich zu nennen sind.

Man wird den Eindruck nicht los: Der ÖVP geht es gar nicht um Lösungen. Es geht um ein wohlfeiles Blame-Game in einem wichtigen Wahlkampf. Ein vernünftiger Diskurs über eines der wichtigsten Themen unserer Zeit wird dabei so ganz nebenbei zerstört. (Petra Stuiber, 25.7.2020)