Und plötzlich hat die Kindergruppe zu. Verdacht auf einen Covid-19-Fall, Quarantäne. Wie jetzt den Nachwuchs bei Laune halten und die mühevollen Behördentelefonate erledigen und die Versorgung der Eltern auf neue Beine stellen und den Berg an Aufträgen abarbeiten – und, und, und. Oder ist der Job ohnehin schon perdu?

Die Wirren in Corona-Zeiten stellen viele vor extreme Herausforderungen. Schmerzhaft zeigt sich auch: Die Krise trifft Frauen besonders hart. Im Juni verloren relativ mehr Frauen als Männer ihren Arbeitsplatz. Sie sind vielfach in Hire-and-Fire-Branchen beschäftigt, werken gerne in Dienstleistungsberufen – und sind derzeit am stärksten die Leidtragenden der Entwicklung. Jetzt ist Feuer am Dach, warnt ÖGB-Vizepräsidentin Korinna Schuhmann im Gespräch mit dem STANDARD.

Drohende Altersarmut

Langfristig hat all das einen hohen Preis. Im Alter droht Frauen die Armut, sie müssen mit rund 40 Prozent weniger Einkommen auskommen als Männer – im Schnitt mit 1146 Euro. Bei zwei Kindern kann der Unterschied schnell 600 Euro monatlich ausmachen. Die Gewerkschaftsfrauen trommeln vor dem "Equal Pension Day" um Aufmerksamkeit: Der 30. Juli ist heuer jener Tag, an dem Männer so viel Pension bekommen haben, wie Frauen erst bis Jahresende erhalten werden. Österreich hat die viertgrößte Pensionslücke in der EU. Das Problem ist systemimmanent und vielschichtig.

In der Krise stehen viele Eltern vor Herausforderungen. Damit der Mann seiner beruflichen Topposition gerecht werden kann, hat die Frau oft das Homeschooling überwacht und für Betreuung und Zerstreuung gesorgt.
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Die hohe Teilzeitquote bei Frauen spielt eine maßgebliche Rolle, ebenso die häufigen Berufsunterbrechungen zur Kinderbetreuung oder Pflege von Angehörigen, die Arbeit in schlechter bezahlten Berufen, die geringeren Aufstiegschancen. Der Einstieg in den Abstieg beginnt früh. Verschiedene Studien bestätigen das. Wird eine Familie gegründet, steckt zuallererst der weibliche Partner zurück. Salopp gesagt geht es nach dem ersten Kind bergab. Auch wenn sich einstellungsmäßig vieles geändert hat: In der Praxis schlägt sich der gute Wille zu Halbe-halbe bei vielen Paaren kaum nieder. Mit ein Grund: Mit dem ersten Kind kommt es zu einer "Retraditionalisierung", so nennen Forscher das. Besonders viele Überstunden machen Männer, solange die Kinder sehr klein sind. Beim Erreichen der 40er treten viele kürzer. Männer verdienen eben mehr, der Einkommensausfall der Frau ist leichter zu kompensieren, dazu kommt die Betreuungsfrage.

All das hat in der Corona-Krise an Aktualität gewonnen, sagt ÖGB-Frau Schuhmann. Zu Gehalts- und Pensionsschere kommt die Corona-Schere.Das Pensionssplitting bleibt mit 583 Fällen, bei rund 110.000 Eltern, die Karenzgeld beziehen, ein Randthema.

Kindererziehungszeiten

Die ÖGB-Frauen wollen den Schmerz etwas lindern und fordern neben einem Rechtsanspruch auf drei Wochen Sonderbetreuungszeit eine bessere Bewertung der Kindererziehungszeiten. "Wann, wenn nicht jetzt?", sagt Schuhmann. Derzeit werden sie bis zur Vollendung des vierten Lebensjahres des Kindes angerechnet. Die Gewerkschafterinnen schlagen vor, sie durch eine zeitlich abgestufte Regelung bis zum achten Lebensjahr zu ergänzen. Unabhängig vom Ausmaß der Arbeitszeit und für jenen Elternteil, der überwiegend die Erziehung übernommen hat (im Zweifel die Mutter).

Wer Pech hat, muss auch jetzt noch überraschend auf die Betreuung außer Haus verzichten.
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Das führe zu einer monatlichen Pensionserhöhung von 175,40 Euro im Monat. Die Bemessungsgrundlage derzeit 1.922,59 Euro pro Monat soll laut dem Modell stufenweise abgesenkt werden, im fünften und sechsten Lebensjahr auf 66 und im siebenten und achten Lebensjahr auf 33 Prozent. Werden vier Jahre der Kindererziehung angerechnet, führt dies zu einer Erhöhung der monatlichen Pension um 117,32 Euro, beim neuen Modell kämen zusätzlich 58,08 Euro dazu. Für alle, denen in der Vergangenheit bereits Kindererziehungszeiten zugesprochen wurden, soll es nachträglich eine zusätzliche Gutschrift auf ihrem Pensionskonto geben, so die Idee.

Pensionssplitting

Wifo-Expertin Christine Mayrhuber hält den Vorschlag für einen Anfang und mahnt zur Vorsicht: Er stehe auch in einem gewissen Widerspruch zum Pensionssplitting: "Wenn die Anrechnung verbessert wird, sinkt der Anreiz innerhalb der Familie die Pensionsanwartschaften zwischen Eltern neu zu verteilen. Die höhere ökonomische Unabhängigkeit der Frauen auf der einen Seite könnte Hand in Hand gehen mit ihrer gleichbleibenden Zuständigkeit für die Sorgearbeit, mit wenig Anreiz für Väter ihr Verhalten zu ändern." Langfristig brauche es weiter Maßnahmen zur Neuverteilung der unbezahlten Arbeit.

Auch die studierte Ökonomin Marietta Babos spricht von einem Schritt in die richtige Richtung. Die Gründerin der Initiative "Damensache", die sich der Aufklärung und Beratung in einschlägigen Dingen verschrieben hat, hält es aber für unabdingbar über die Konsequenzen der Teilzeitbeschäftigung aufzuklären. Die Altersarmutsfalle entstehe überwiegend durch Abhängigkeiten: "Daher appelliere ich dafür, nicht nur die pensionsrechtlichen Konsequenzen zu berücksichtigen, sondern vielmehr die eigenen Kräfte und Möglichkeiten, für eine finanzielle Selbsterhaltung der Mütter zu stärken."(Regina Bruckner, 25.7.2020)