"Aber Sie haben ja selbst ein Hirn …"

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Unser Kanzler kann sehr fuchtig werden, wenn man ihm Fragen stellt, die sein olympisches Harmoniebedürfnis stören. Das ging zuletzt so: Eine Moderatorin von Puls 24 zitiert die deutsche "Zeit", die seine EU-Rhetorik kritisierte. Daraufhin ein ungehaltener Kurz: "Aber Sie haben ja ein eigenes Hirn …" (Greift sich selbst demonstrativ an den Kopf.)

Der Kanzler hat hier einen Weg gezeigt, wie man in einer zivilisierten, konsensualen und wertschätzenden Weise einem anderen mitteilt, dass man ihn für intellektuell herausgefordert hält.

Das hat Zukunftspotenzial. Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka etwa fordert: "Muslime müssen sich zur Verfassung bekennen!" Nun könnte man ihm sagen: "Sie haben ja ein eigenes Hirn. Müssten sich die deutschnationalen und autoritären Burschenschaften, mit deren Vertretern Sie in einer Regierungskoalition waren, nicht auch zur Verfassung bekennen?" (Zusatzfrage: "Sind die Burschenschaften nicht auch eine jener Parallelgesellschaften, von denen Integrationsministerin Raab so gerne spricht?")

Oder Tourismusministerin Elisabeth Köstinger, die sich Freitag in einem "Mittagsjournal"-Interview ewig um die Frage herumgewunden hat, ob 14.000 Corona-Testungen bei angekündigten 65.000 nun viel oder doch wenig sind. Man könnte zu ihr sagen: "Sie haben ja selbst …"

Ja, so geht es. Das ist der neue (türkise) Weg für einen besseren Dialog in Österreich. (Hans Rauscher, 24.7.2020)