Soll auf regierungsfreundlicheren Kurs gebracht werden: Ungarns größte Nachrichtenseite index.hu.

Foto: Screenshot index.hu

Zwei Tage nach der Entlassung des Chefredakteurs von Ungarns größter unabhängiger Nachrichten-Website Index.hu hat fast die gesamte Redaktion aus Protest gekündigt. In einer Stellungnahme kritisierten die Journalisten am Freitag die Entlassung des Chefredakteurs Szabolcs Dull als einen "offensichtlichen Versuch, Druck auf Index.hu auszuüben".

Drei leitende Redakteure und mehr als 70 von insgesamt rund 90 Beschäftigten gaben ihre Kündigung bekannt. In den vergangenen Wochen hatte Dull in einem Beitrag "enormen Druck von außen" auf die Website beklagt und eine geplante Überarbeitung der Webseite durch die Eigentümer kritisiert. Bevor er gefeuert wurde, wurde ihm vorgeworfen, er habe interne Dokumente an andere Medien geleitet.

Eine der letzten unabhängigen Stimmen

Index.hu ist die am meisten besuchte Nachrichten-Website in Ungarn und eine der letzten unabhängigen Stimmen in der ungarischen Medienlandschaft. Mit einer Medienreform 2010 hatte Regierungschef Viktor Orbán einen Großteil aller Medien unter seine Kontrolle gebracht. In der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen steht Ungarn nur noch auf Platz 89 von 180.

Update: "Verheerender Schlag gegen Journalismus"

Das in Wien ansässige Internationale Presse-Institut (IPI) hat die Massenkündigungen von Mitarbeitern bedauert. "Man darf sich da keiner Täuschung hingeben: Das ist ein verheerender Schlag gegen den Journalismus in Ungarn", schrieb der stellvertretende IPI-Direktor Scott Griffen auf der Website des Instituts.

Index sei nicht irgendein unabhängiges Medium, sondern mit einer geschätzten Million Leser täglich "ein Bollwerk" gewesen. Im März hatte der Orban-Unterstützer und einflussreiche Geschäftsmann Miklos Vaszily 50 Prozent der Anteile der Werbeagentur von Index.hu gekauft.

"Wieder ist ein Medium dem Orban-Modell zum Opfer gefallen", schrieb Griffen. "In der Zwischenzeit sammelt (die Regierungspartei, Anm.) Fidesz großzügige Schecks aus Brüssel ein." Dass die EU-"Chefs" diese Woche keinen starken Rechtsstaats-Mechanismus im EU-Budget vereinbart härten, stärke Orban nur noch mehr.

Update: Proteste auf Straße

Am Freitagabend gingen mehr als tausende Menschen in Budapest auf die Straße, um für Freiheit der Presse und gegen die Angriffe auf das regierungskritische Medium "Index" zu demonstrieren. An der von der Jugendpartei Momentum organisierten Aktion nahmen auch Vertreter anderer Oppositionsparteien teil.

Miklos Hajnal, Vorstandsmitglied von Momentum, betonte in seiner kurzen Ansprache: Die Regierung habe einen Tag nach dem EU-Gipfel begonnen, Nägel in den Sarg von Index zu schlagen.

Flankiert von einem hohen Polizeiaufgebot zogen die Demonstranten aus der Innenstadt zum Sitz des rechtsnationalen Premiers Viktor Orban auf den Burgberg. (APA, AFP, 24.7.2020)