Abwerzger vor einem Wahlkampfplakat, auf dem er Gerechtigkeit versprochen hat. In jenem Tiroler Landtagswahlkampf legte er mehr als sechs Prozentpunkte zu.

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Warum eigentlich soll man FPÖ wählen? Um gegen eine Regierung zu protestieren, die derartigen Protest ohne viel Aufhebens ignorieren kann? Um die Zuwanderung zu stoppen, um den Islam zurückzudrängen? Dass eine Stimme für die FPÖ da nichts bewirken kann, hat sich herumgesprochen.

Auch wenn diese Wahlmotive in der Bevölkerung durchaus verankert sind, so weiß die große Mehrheit der Wahlberechtigten doch, dass weder Protest noch das Ausländerthema ausreichende Begründung für eine Wahlentscheidung bieten. Das weiß natürlich auch die FPÖ-Führung, gelegentlich spricht es auch jemand aus, wie jetzt der Tiroler FPÖ-Chef Markus Abwerzger: Die Wähler der Freiheitlichen haben ja weitergehende Interessen – sogar die wenigen, die in überwiegend von Zuwanderern bewohnten Stadtvierteln leben; und erst recht jene, die das Ausländerthema allenfalls aus dem Fernsehen und den Boulevardblättern kennen.

Also müsste sich die FPÖ daran machen, ein Angebot für ihre früheren (und ihre potenziell künftigen) Wähler zu erstellen. Leicht ist das nicht, wie auch Abwerzger festgestellt haben dürfte: Den Begriff der "sozialen Heimatpartei" mit Leben zu erfüllen, setzt inhaltliche Auseinandersetzung auf Politikfeldern voraus, die längst auch von anderen Parteien bespielt werden. Das Sozialthema wird vorrangig der SPÖ zugeordnet, auch wenn diese derzeit auf Bundesebene in Opposition ist. Die Christlichsozialen spielen dort am Rande mit, die Grünen versuchen, mit ihrem höchst populären Sozialminister ebenfalls ihren Anteil am Sozialthema zu sichern. Ähnlich ist es beim Heimatbegriff, den der Bauernbund erfolgreich beackert und den auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen in seinem Wahlkampf besetzt hat.

Das heißt nicht, dass eine stärkere Ausrichtung der Freiheitlichen auf die Lebenswirklichkeit ihrer Wählerbasis ohne Chancen wäre – es heißt nur, dass das eben sehr schwer wird, noch dazu aus der selbstverschuldeten Oppositionsrolle. Es braucht Jahre unbedankter inhaltlicher Arbeit, um mit anderen Themen auch nur wahrgenommen zu werden. Da steckt viel Frustrationspotenzial drin – und natürlich die Versuchung, sich doch wieder auf die jederzeit für Aufmerksamkeit sorgenden Ausländer-Parolen zu stürzen. (Conrad Seidl, 26.7.2020)