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Die Route über das Mittelmeer bleibt für Menschen auf der Flucht attraktiv. Die Boote, die nun in Italien ankommen, legen vor allem in Tunesien ab, nur manche in Libyen.

Foto: AP Photo/Renata Brito

Während in der vergangenen Woche in Wien die beiden Innenminister Österreichs und Deutschlands bekräftigten, dass sie eine gemeinsame europäische Asylpolitik vorantreiben wollen, zogen die italienischen Behörden das letzte verbleibende private Such- und Rettungsschiff aus dem Verkehr. Die Ocean Viking, die von der Hilfsorganisation SOS Méditerranée betrieben wird, wurde im Hafen von Porto Empedocle auf unbestimmte Zeit festgesetzt. Offizieller Grund nach elfstündiger Inspektion durch die Hafenbehörde: Es gebe mehrere technische Mängel an Bord, und die Crew habe mehr Passagiere befördert als genehmigt.

Doch die NGO spricht von Schikane: Es habe sich um gerettete Menschen und keine Passagiere gehandelt, außerdem sei es bereits die vierte Inspektion innerhalb eines Jahres gewesen – was doch recht ungewöhnlich für den kurzen Zeitraum sei, heißt es in einem Statement für den STANDARD.

Die Ocean Viking ist den Behörden bereits seit längerem unbequem – auch das Vorgängerschiff Aquarius sorgte für Schlagzeilen. Erst vor wenigen Wochen hatte der Kapitän an Bord den Notstand ausgerufen, es hatte sechs Suizidversuche binnen 24 Stunden gegeben, außerdem Schlägereien und andere Zwischenfälle an Bord. Die 180 Geretteten wurden schließlich in Italien an Land gelassen – wo sie allerdings sofort auf das Quarantäneschiff Moby Zazà verfrachtet wurden. Zwar waren die Covid-19-Tests bereits an Bord der Ocean Viking negativ ausgefallen, doch wollte Italien auf Nummer sicher gehen.

Quarantänestation auf See

Die Moby Zazà, ein privates Kreuzfahrtschiff, wurde von den italienischen Behörden angemietet, um Gerettete 14 Tage lang zu isolieren. Der Pachtvertrag ist aber vor kurzem ausgelaufen, ebenso eine Fristverlängerung um zehn Tage, damit auch wirklich alle Menschen ihre Quarantäne abschließen können. Wie es weitergeht, ist noch unklar. Denn obwohl alle private Rettungsschiffe in Häfen festsitzen, werden Rettungen von anderen Schiffen durchgeführt. Erst Anfang Juli saßen Gerettete tagelang auf einem Viehtransportschiff fest, das die Menschen in Koordination mit der maltesischen Küstenwache an Bord genommen hatte. Am Samstag brachte ein Tankschiff 108 Menschen nach Sizilien.

Sollte Italien kein Schiff für die Internierung der Flüchtlinge und Migranten finden, drohte Innenministerin Luciana Lamorgese damit, die Menschen in Militärbaracken an Land unterzubringen. Die Regierung in Rom holt außerdem einen Großteil der 650 Migranten von der Insel Lampedusa, die sich dort in einem überfüllten Hotspot für 95 Menschen befinden.

Die Bürger von Lampedusa haben sich am Montag an einem Sitzstreik am Hafen beteiligt, um gegen die anhaltenden Migrantenankünfte zu protestieren. Die Demonstranten forderten einen sofortigen Einwanderungsstopp, berichteten italienische Medien. In der Nacht auf Montag trafen 114 Migranten an Bord von zwei Booten ein.

Psychischer Druck

Dass durch die Pandemie und die damit verbundenen Hygiene- und Schutzmaßnahmen der psychische Druck auf die Geretteten gestiegen ist, beobachtet man bei SOS Méditerranée. An Bord der Ocean Viking herrschte absolute Maskenpflicht für alle Menschen. Die Retter waren zudem mit Overalls bekleidet und waren mit Maske und wenn nötig Schutzbrille vermummt.

Wie die psychologische Situation auf dem Quarantäneschiff war, ist nicht bekannt. Italienische Behörden und das Rote Kreuz waren an Bord. Ein Suizid Mitte Mai wird von der Staatsanwaltschaft untersucht.

Insgesamt steig die Zahl der Ankünfte wieder leicht. Ein Sprecher des UN-Flüchtlingshochkommissariats UNHCR nennt insgesamt 9700 Menschen, die Italien seit Anfang des Jahres erreicht haben. Im Vorjahr waren es zu dieser Zeit nur 3100 Menschen gewesen.

Dennoch ist man weit entfernt von den Zahlen aus dem Jahr 2015, als im ersten Halbjahr 67.500 Menschen Italien erreichten. Die meisten Flüchtlinge und Migranten in Italien fahren mit ihren Booten laut UNHCR von Tunesien ab, einige von Libyen, und nur vereinzelt stammen Boote aus der Türkei oder Algerien.

95 Menschen in Seenot

Laut Uno-Angaben waren am Dienstag rund 95 Menschen im zentralen Mittelmeer "vom Ertrinken bedroht", erklärte die IOM im Onlinedienst Twitter, ohne weitere Details zu nennen. Im vergangenen Jahr versuchten laut IOM mehr als 100.000 Flüchtlinge, über das Mittelmeer nach Europa zu gelangen. Mehr als 1.200 kamen allein auf dem Weg von Nordafrika nach Italien ums Leben. (Bianca Blei, APA, 27.7.2020)