Leere Liegen und verwaiste Sandstrände am Cabo de Gata bei Almería oder an der "Küste des Lichts" bei Cádiz. Wo in einem normalen Sommer alles restlos belegt, besetzt und ausgebucht ist, kommen heuer Robinson-Crusoe-Gefühle auf. Halbleere Tapas-Bar-Terrassen – die Gastrobetriebe dürfen nur 50 Prozent der Tische anbieten –, keine Staus auf der Mittelmeerautobahn A-7, keine Handtuchkriege am Hotelpool: Im Corona-Sommer in Südspanien ist alles anders.

Das Jahr werde ein schreckliches für den Tourismussektor werden, sagt Santiago Carbó, Makroökonom beim Kassenverband Funcas und Wirtschaftsprofessor an der Universität Granada: "Auch im kommenden Jahr wird es nicht besser werden, sofern es keine wirksame, flächendeckende Impfung geben wird. Der Sektor wird enorm viele Staatshilfen brauchen."

Hinzu komme, dass nun nach neuen Covid-19-Ausbrüchen rund um Diskotheken und Bars auch das Nachtleben mit Restriktionen belegt und folglich stillstehen wird. Gandía an der Costa Blanca von Valencia hat alle Diskotheken geschlossen, auf Mallorca wurden Lokale der berüchtigten Saufmeilen der Deutschen und Briten zugedreht. Obendrein hat die britische Regierung am späten Samstagabend überraschend für Spanien-Urlauber Quarantänepflicht verfügt. Den Rückkehrern steht nun eine zweiwöchige Selbstisolation bevor. Etwaige Urlaubsgelüste wird das nicht steigern.

An Sommer und Sonne mangelt es in La Herradura an der Costa Tropical in Granada nicht. Dieser und andere Hotspots aus früheren Jahren sind aber derzeit bedrückend leer.
Jan Marot

Etwa 18 von 140 Milliarden Euro aus dem EU-Corona-Rettungstopf wird Spaniens linke Regierung in den Sektor pumpen – verglichen mit den Ausfällen ein Tropfen auf den heißen Stein. Dass die direkten EU-Hilfen ine Stütze sein können, zweifelt Carbó an: "Diese sind an Auflagen wie Nachhaltigkeit geknüpft, was in dem Sektor problematisch ist." Er prophezeit eine signifikative Pleitewelle.

Bei Exceltur, dem Dachverband der spanischen Touristiker, rechnet man mit einem Verlust von 83 Milliarden Euro für 2020. Der Sektor erwirtschaftete 2019 immerhin knapp elf Prozent des BIPs. Rund 40.000 Tourismus- und Gastrobetriebe haben schon aufgegeben, bis Jahresende dürften weitere 30.000 Pleiten folgen. Exceltur kritisiert auch die Maskenpflicht an den Stränden, wie sie auf den Balearen und in Andalusien eingeführt wurden – samt Androhung von 100 Euro Bußgeld bei Zuwiderhandeln.

Carbó übt sich indes in Optimismus: "Jetzt hat man eine Chance, auch dank der Milliarden der EU", die man diesmal zielführend nützen müsse. Etwas, das Spanien in der Vergangenheit wiederholt verabsäumt hätte. Spanien habe seit Jahren versucht, den Tourismus hin zu mehr Qualität umzubauen, was nur teilweise funktioniert habe. Etwa an der Costa del Sol bei Málaga. Doch wenn Spanien weiterhin über 80 Millionen internationale Gäste pro Jahr empfangen wolle, wäre ganz klar, "dass nicht alle Luxusurlauber sein werden". Das, was die Spanier im Sommer in der Heimat ausgeben würden, könne "das Ausbleiben internationaler Gäste niemals auch nur in Teilen wettmachen".

An den Küsten mit ihren Bettenburgen ist die Not besonders groß.
Jan Marot

Indes gebe es große Nachfrage im ländlichen Spanien im Binnenland, wo Ferienhäuser zum Teil auf Wochen und Monate ausgebucht sind: "Das Problem sind die Küsten mit ihren Hotelburgen, Strandrestaurants, Bars und Diskotheken, die von internationaler Klientel abhängig sind."

Reisewarnungen und Flugverbote treffen aber nicht nur Risikozonen. Auch die relativ Corona-freien Kanarischen Inseln sind offenbar nicht mehr auf dem Radar der mitteleuropäischen Sommerurlauber. "Es wirkt hier wie in einer Geisterstadt in der Wüste", sagt Ana Santiago, die seit 23 Jahren als Zimmermädchen auf Lanzarote arbeitet. Sie wird von der Interessenvertretung Las Kellys vertreten: "Alles hat geschlossen, Hotels, Geschäfte, Restaurants und Bars." Seit Mitte März und infolge einer Quarantäne ist sie temporär dienstfrei gestellt, ihr ohnehin prekäres Einkommen wurde um 400 Euro gekürzt.

"Vor der Pandemie hatten wir zwischen fünf und zehn Minuten Zeit, ein Zimmer zu putzen", sagt Santiago. "Nun werden wir die Desinfektion übernehmen und müssen acht Stunden am Tag den Mund-Nasen-Schutz tragen, was die Arbeit zusätzlich erschwert", sagt sie, die an Bronchospasmus leidet und zu einer der Covid-19-Risikogruppen zählt: "Wenn ich mich infiziere – und man weiß nicht, ob ein Gast das Virus hat –, ist das mein sicherer Tod."

Abhängig vom Tourismus

Auf den Kanaren lebe die Wirtschaft zu 100 Prozent vom Tourismus, ist sich Santiago bewusst: "Low Cost in allererster Linie, daher werden Hotels erst wieder aufsperren, wenn ausreichend Gäste kommen, damit der Betrieb rentabel geführt werden kann."

"Der Tourismus läuft auf den Kanaren äußerst langsam an", macht sich auch Myriam Barros, Abgeordnete der Linkspartei Sí Podemos im Inselrat von Lanzarote, Sorgen. Gäste, die Kontakte möglichst vermeiden wollen, zieht es eher in Ferienhäuser und -wohnungen. Von jenen Ketten, die sechs oder mehr Hotels haben, wird nur eines geöffnet. Nur gut ein Drittel der Hotels habe jetzt, wo an sich Hochsaison herrschen sollte, geöffnet, sagt Barros: "Wir werden, wenn die Kurzarbeit ausläuft, enorm viele Arbeitsplätze zerstört haben." (Jan Marot, 27.7.2020)