Foto: Marion und Reinhard Hörmandinger

Es ist an diesem verregneten Sonntag viel Verkehr auf der Wolfgangsee-Bundesstraße Richtung Salzburg. Die Gäste nutzen das kühle Wetter, um der Mozartstadt einen Kurzbesuch abzustatten. Die Ortschaften im Salzkammergut melden eine gute, teilweise sogar sehr gute Buchungslage.

Das Salzburger St. Gilgen am Wolfgangsee beispielsweise gilt als nahezu ausgebucht. Lokale Touristiker berichten, in St. Gilgen wären mehr Gäste als die Jahre zuvor, "alles drängt an die Seen". Fragen nach dem Corona-Cluster auf der oberösterreichischen Seite des Sees, in der Quasi-Enklave St. Wolfgang, antworten Einheimische wie Gäste bei einem Lokalaugenschein des STANDARD zurückhaltend.

Die Medien hätten das aufgebauscht, lautet der Tenor. Dass es ein Risiko gebe, leugnet zwar niemand, "aber das kann daheim auch passieren", sagt eine Dame beim Yachtclub St. Gilgen. Es habe sich ja nur eine Person aus St. Gilgen angesteckt – eben drüben in St. Wolfgang. Einen See weiter, am Mondsee, beim Badeplatz Plomberg haben gerade vier Radtouristen beim Kiosk haltgemacht. Auch sie besprechen die Corona-Krise, meinen aber die Zukunft ihrer Firmen. Auf dem Bike und am Badeplatz im Freien machen sich die vier Österreicher keine Sorgen.

Stornierungen in Maßen

Und in St. Wolfgang selbst, wo sich derzeit laut Tourismusverband etwa 2.300 Gäste aufhalten? Von massenhaften Abfahrten oder Stornierungen ist vorerst nichts oder nur vereinzelt zu hören. Quantifizieren könne man das noch nicht, heißt es seitens der St. Wolfgang Tourismus-Gesellschaft. Sonntagabend wurde dann bekannt, dass zu den bisher bekannten 44 Fällen – darunter 26 Praktikanten, zwei ihrer Vorgesetzten und ein Gast – vier weitere hinzukamen, nachdem weitere Tests ausgewertet wurden. Sonntagnacht vermeldete schließlich ein Sprecher von Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) ein Update auf Twitter: Seit Beginn der Testungen vor Ort seien 53 Menschen positiv getestet worden.

Weitere Ergebnisse gibt es am Montag.

Neben Mitarbeitern in Gastronomie- und Beherbergungsbetrieben wurden auf freiwilliger Basis auch Gäste getestet. Das Land rät Gästen, die sich in einem der betroffenen Betriebe aufgehalten haben, ihren Zustand zu beobachten. Ebenso wurden "Nachsorge-Kontakte" in puncto gesundheitlicher Entwicklung für Infizierte und Kontaktpersonen angekündigt.

Die SPÖ Oberösterreich kritisierte, dass Touristen in St. Wolfgang binnen kürzester Zeit auch ohne Symptome zum Test zugelassen werden und das Ergebnis erhalten, während Bürger im Bundesland selbst bei positiv getesteten Angehörigen der Test vorenthalten werde. SPÖ-Gesundheitssprecher Peter Binder berichtete in einer Aussendung von der E-Mail einer Frau, die wegen eines positiven Tests in der Familie für 26 Tage zuhause in Quarantäne bleiben muss, selbst aber nicht getestet werde. Auch SP-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch übte harsche Kritik: Er sprach von "chaotischem Corona-Mangement" von Türkis-Grün: Zuerst habe die Bundesregierung weismachen wollen, dass Urlaub in Österreich sicher sei, so Deutsch. "Jetzt gibt es mit St. Wolfgang nach dem Fanal in Ischgl bereits den zweiten großen Tourismus-Cluster."

"Patient null" bekannt

Der "Patient null" sei den Behörden bekannt, heißt es seitens des oberösterreichischen Krisenstabs gegenüber dem STANDARD. Die positiv getesteten Personen seien mit behördlich angeordneten Transporten nach Hause gebracht und dort in Heimquarantäne abgesondert worden. Sie halten sich also nicht mehr vor Ort auf. Die betroffenen Bezirksverwaltungsbehörden habe man im Vorfeld informiert.

Am Samstag baten die Gemeinde, das Land und der Tourismusverband die Gäste, abends zu Hause zu bleiben. Die Sperrstunde wurde außerdem auf 23 Uhr vorverlegt. Zwei Nachtlokale haben geschlossen – der Schritt sei "im Einvernehmen" mit deren Betreibern erfolgt, hieß es am Sonntag auf der Gemeinde. Die Hotels – sieben gelten derzeit als betroffen – sind unterdessen noch geöffnet. Aufgrund des Kontaktpersonenmanagements sei die Infektionskette bekannt, begründete dies der Krisenstab. Auch Hans Wieser, Chef der St. Wolfgang Tourismus Gesellschaft, hält Maßnahmen wie Schließungen derzeit nicht für erforderlich.

Containment im Fokus

Das sei auch der Unterschied zur Situation bei den jüngsten Schulschließungen, sagt eine Sprecherin von Gesundheitslandesrätin Christine Haberlander (ÖVP). Damals habe man die Kette nicht mehr nachvollziehen können. Die Lage in St. Wolfgang soll allerdings jeden Tag neu bewertet werden, heißt es seitens des Krisenstabs.

Aus dem Gesundheitsministerium heißt es dazu, dass sich beim Vorliegen der weiteren Testergebnisse zeigen werde, ob die aktuellen Maßnahmen ausreichen. Ob ein regionaler Lockdown in Erwägung gezogen wird? Es gebe regelmäßig Gespräche mit dem Krisenstab, sagt ein Sprecher zum STANDARD. Derzeit gehe es um "schnelles Containment". Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) sprach von einer "Herausforderung" in St. Wolfgang.

Etwaige Pläne seitens der Behörden im Falle von größeren Abreisewellen seien ihm bisher nicht bekannt, sagt Michael Spechtenhauser von der Salzkammergut Tourismus GmbH. Auch Wieser sagte, dass die Abreise derzeit wie herkömmlich von statten gehe, verwies aber auf die freiwillige Testmöglichkeit vor Ort.

Unabhängig von den aktuellen Tests sind laut Wieser 500 Tourismusmitarbeiter aus den Orten Strobl, St. Gilgen und St. Wolfgang zu den freiwilligen Testungen, die das Tourismusministerium anbietet, angemeldet. Österreichweit liegen derzeit 30.000 Anmeldungen dafür vor, heißt es aus dem Ministerium. Ursprünglich war die Rede von 65.000 Tests pro Woche. Kürzlich wurde bekannt, dass dieses Ziel weit verfehlt wurde. Ein Ministeriumssprecher verweist auf die Freiwilligkeit der Tests. (Thomas Neuhold, Vanessa Gaigg, red, 26.7.2020)