In Warschau wurde gegen den Ausstieg Polens aus der Istanbul-Konvention protestiert.

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Straßburg/Warschau/Ankara – Der Europarat hat sich angesichts des angekündigten Rückzugs Polens aus einem internationalen Abkommen zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen "alarmiert" gezeigt. "Das Aufkündigen der Istanbuler Konvention wäre sehr bedauerlich und ein enormer Rückschritt beim Schutz von Frauen vor Gewalt in Europa", erklärte die Generalsekretärin des Europarats, Marija Pejčinović Burić, am Sonntag.

Die Istanbul-Konvention des Europarats verpflichtet die Unterzeichnerstaaten, jegliche Gewalt gegen Frauen und Mädchen sowie alle Formen häuslicher Gewalt als Verbrechen einzustufen und sich gegen die Diskriminierung von Frauen einzusetzen. Sie wurde 2014 von einer Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten unterzeichnet. Doch einige Staaten wie Ungarn und die Slowakei haben sie bis heute nicht ratifiziert. Auch Aktivisten in der Türkei fürchten derzeit einen Rückzug Ankaras aus dem internationalen Abkommen.

Proteste in Warschau

2012 war die Istanbul-Konvention von der damaligen gemäßigten polnischen Regierung unterzeichnet und 2015 ratifiziert worden. Die nationalkonservative Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) will sich nun daraus zurückziehen. Justizminister Zbigniew Ziobro kündigte am Wochenende an, er werde am Montag den nötigen Prozess einleiten.

Ziobro hatte das Abkommen in der Vergangenheit als "feministische Schöpfung zur Rechtfertigung der homosexuellen Ideologie" bezeichnet. Rund 2.000 Menschen gingen am Freitag in der Hauptstadt Warschau gegen den von der Regierung geplanten Rückzug aus der Konvention auf die Straße.

Auch mehrere Abgeordnete des Europaparlaments verurteilten die Ankündigung der polnischen Regierung. Die spanische sozialdemokratische Abgeordnete Iratxe García Pérez sprach im Onlinedienst Twitter von einer "schändlichen" Entscheidung. Der Vorsitzende der Fraktion "Renew Europe", der frühere rumänische Regierungschef Dacian Ciolos, kritisierte es als "erbärmlichen Schritt" einiger Regierungsmitglieder "zur Demonstration ihres Konservativismus".

Auch die Tükei plant möglicherweise einen Ausstieg

Auch in der Türkei wird ein Aufkündigen des 2012 von Ankara ratifizierten Vertrags befürchtet. Der stellvertretende Vorsitzende der Regierungspartei, Numan Kurtulmus, hatte die Unterzeichnung Anfang dieses Monats als "falsch" bezeichnet und für einen Rückzug plädiert. Am Sonntag gingen unter anderem in Ankara und Istanbul Frauenrechtsaktivistinnen auf die Straße, um dagegen zu protestieren.

Aktivisten kritisieren, dass die Türkei die Konvention zwar ratifiziert hat, sie aber nicht ordnungsgemäß umgesetzt wird. Allein im vergangenen Jahr starben nach Angaben der Menschenrechtsgruppe "Wir werden Frauenmorde stoppen" 474 Frauen durch Gewalt von Männern. (APA, 27.7.2020)