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Ein Bundespolizist mit Tränengaskanone.

Foto: AP / Marcio Jose Sanchez

Washington/Seattle/Wien – Nach wochenlangen Protesten in Portland im US-Staat Oregon hat die US-Bundesregierung eine weitere Verschärfung im Vorgehen gegen Gewalttäter unter den Demonstranten angekündigt. Zusätzliche Maßnahmen würden vermutlich in dieser Woche ergriffen, sagte der amtierende Heimatschutzminister Chad Wolf dem Sender Fox News am Sonntag.

Man werde nicht hinnehmen, dass Sicherheitskräfte des Bundes Nacht für Nacht angegriffen und verletzt würden. Portland sei "zumindest zu bestimmten Stunden in der Nacht völlig außer Kontrolle". In Portland und in Seattle im benachbarten Staat Washington kam es in der Nacht auf Sonntag erneut zu Zusammenstößen.

Streit um Einsatz der Bundespolizei

Die Proteste in Portland richten sich neben Rasssismus und Polizeigewalt auch gegen den umstrittenen Einsatz Bundespolizei, den die Trump-Regierung gegen den Willen der Stadt Portland und des Bundesstaates Oregon angeordnet hat. Seit knapp zwei Wochen werden Menschen von denen angenommen wird, dass sie an den Demonstrationen beteiligt sind, von Polizisten in Tarnanzügen wortlos verhaftet und in ungekennzeichneten Vans mitgenommen. Die Regierung begründet den Einsatz mit dem Schutz eines Bundesgerichts, dessen Gebäude in der Nacht auf Sonntag erneut angegriffen wurde. Nach Wolfs Angaben kam es in der Nacht außer in Portland und Seattle auch zu gewaltsamen Protesten in Oakland (Kalifornien) und anderen Städten.

Portlands Bürgermeister mischte sich vergangene Woche unter die Demonstranten und wurde von Tränengas getroffen
DER STANDARD

Trump wirft den von Demokraten regierten Städten vor, Gewalt und Straftaten nicht in den Griff zu bekommen. Wolf sagte, die Stadtverwaltung in Portland lasse "Anarchisten" gewähren. Jede Nacht kämen zwischen 2.000 und 4.000 Gewalttäter zusammen, um Bundesliegenschaften wie das Gerichtsgebäude und Sicherheitskräfte des Bundes anzugreifen. Wolf sagte, Sicherheitskräfte des Bundes hätten in der Nacht auf Sonntag "sieben oder acht" Menschen festgenommen. Er warf Demonstranten vor, mit Lasern in die Augen von Sicherheitskräften zu zielen. Zwei oder drei Beamte hätten dadurch womöglich einen Teil ihrer Sehkraft eingebüßt.

Die Vorsitzende des Repräsentantenhauses, die Demokratin Nancy Pelosi, hatte gefordert: "Trump und seine Sturmtruppen müssen gestoppt werden." Wolf nannte die Äußerung unverantwortlich und gefährlich. Er forderte eine Entschuldigung von Pelosi.

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"Unsere Männer und Frauen in Uniform sind Patrioten", schrieb Heimatschutzminister Chad Wolf in Bezug auf die Bundespolizei auf Twitter.
Foto: AP / Manuel Balce Ceneta

Proteste im ganzen Land

Die Polizei in Portland teilte mit, in der Nacht auf Sonntag hätten sich Tausende Demonstranten an dem abgeriegelten Gebäude des Bundesgerichts versammelt. Einige davon hätten Steine, Flaschen sowie Feuerwerkskörper geworfen und mit Elektrowerkzeugen versucht, den Zaun zu durchschneiden. Die Polizei habe Tränengas eingesetzt und mehrere Menschen festgenommen.

In Seattle wurden bei Krawallen 45 Menschen festgenommen, teilte die Polizei mit. 21 Polizisten seien durch Steine, Flaschen und Feuerwerkskörper verletzt worden, hätten aber mehrheitlich wieder zum Dienst zurückkehren können. Rund ein Dutzend Menschen seien auf das Gelände einer Jugendstrafanstalt eingedrungen und hätten auf einer Baustelle dort Feuer gelegt. Scheiben von Geschäften seien eingeworfen worden. An einer Polizeiwache sei ein Sprengkörper detoniert. Die Polizei habe Pfefferspray eingesetzt, um die Menge aufzulösen.

In Louisville, Kentucky zogen hunderte, teils bewaffnete Demonstranten durch die Straßen und forderten, dass die Verantwortlichen für den Tod von Breonna Taylor zur Verantwortung gezogen werden sollten. Die 26-jährige Studentin war bei einer Drogenrazzia in ihrer Wohnung in Louisville erschossen worden.

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Mitglieder der Gruppe NFAC marschieren bewaffnet durch Louisville, um gegen Polizeigewalt zu protestieren.

Foto: Reuters / BRYAN WOOLSTON

Demonstrant in Texas getötet

In Texas wurde nach Angaben der Polizei am Wochenende ein Demonstrant getötet. In Austin fuhr laut dem Bericht eines Augenzeugen ein Auto in Richtung einer Gruppe von Demonstranten. Die Menschen umringten das Auto, einer der Demonstranten habe dabei ein Gewehr gezogen, sagte Michael Capochiano dem "Austin Statesman". Daraufhin habe der Fahrer seinerseits eine Waffe aus dem Fenster gehalten, mehrere Schüsse abgefeuert und den Mann mit dem Gewehr tödlich getroffen. Der Autofahrer raste zunächst davon, er wurde nach Angaben der Polizei aber später festgenommen.

Auch in New York, Omaha, Oakland, Los Angeles und in Richmond fanden Demonstrationen statt.

Protest richtet sich gegen Trump

Der Generalinspekteur des US-Justizministeriums hatte am Donnerstag eine Untersuchung zum Vorgehen der Bundespolizei angekündigt. Ein Bundesrichter in Oregon kassierte am Freitag jedoch eine Weisung des Staates Oregon, wonach Bundespolizisten an der Festnahme von Demonstranten nicht mehr beteiligt sein sollten.

Die Proteste waren Anfang Juli zunächst abgeflaut. Nachdem in der vergangenen Woche aber bekannt wurde, dass Präsident Trump entgegen dem Willen der örtlichen Behörden Bundespolizisten in die Stadt entsandt hatte, verstärkten sich die Proteste wieder und richteten sich zunehmend gegen den von Trump angeordneten Einsatz.

Demokraten und Anti-Rassismus-Demonstranten werfen dem Präsidenten vor, mit seiner rabiaten Rhetorik und der Entsendung paramilitärischer Einheiten seine rechtsgerichteten Anhänger für die Präsidentschaftswahl im November mobilisieren zu wollen. Zudem wolle er von seinem viel kritisierten Corona-Krisenmanagement ablenken. In den Umfragen liegt Trump deutlich hinter seinem Rivalen Joe Biden von den Demokraten. (APA, red, 27.7.2020)