Der Schweizer Pharmakonzern Novartis belässt die Produktion von Penicillin (Antibiotika) in Tirol.

Foto: Novartis

Kundl/Basel – Der Schweizer Pharmakonzern Novartis belässt die Penicillinproduktion in Österreich. Das Werk in Kundl (Bezirk Kufstein) der Novartis-Generikasparte Sandoz soll in den nächsten fünf Jahren um mehr als 150 Millionen Euro modernisiert werden. Damit Novartis nicht die Produktion nach Asien verlagert, will die öffentliche Hand dem Unternehmen mit Förderungen in Höhe von 50 Millionen Euro unter die Arme greifen.

Österreich und EU steuern Geld bei

Am Montag verkündeten Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP), Sandoz-Manager Christian Pawlu und Novartis-Österreich-Chef Michael Kocher im Wiener Bundeskanzleramt das geplante Investitionspaket. Um die Sandoz-Produktion von Penicillin (Antibiotika) in Österreich zu halten, sollen 30 Millionen Euro aus der heimischen Forschungsförderung, Investitionsprämie und vom Land Tirol fließen. Weitere 20 Millionen Euro sollen via EU-Maßnahmen (Important Projects of Common European Interest, IPCEI) finanziert werden. Am Montag wurde die Absichtserklärung präsentiert, der formelle Abschluss des Abkommens soll noch vor Ende des Jahres zustande kommen.

Zitterpartie

Novartis hatte zuvor in Erwägung gezogen, die Penicillinproduktion im Tiroler Werk in Kundl einzustellen und nach Asien zu verlagern. Das Wirtschaftsministerium gründete daraufhin unter anderem eine Taskforce, um das zu verhindern. Angesichts der Coronakrise wurde von vielen Seiten gefordert, dass wieder verstärkt Medikamente und Medizinprodukte in Europa produziert werden, um die Abhängigkeiten von Asien zu reduzieren. Der nun fixierte Ausbau des Sandoz-Standorts in Kundl soll dazu führen, dass von Tirol aus der gesamte europäische Markt mit Penicillin versorgt werden kann. Aufgrund der öffentlichen Förderungen verpflichtet sich Sandoz, die relevante Penicillin-Wirkstoffproduktion für die nächsten zehn Jahre in Europa zu halten. Die "Tiroler Tageszeitung" hatte bereits vergangenen Donnerstag über die grundsätzliche Einigung zwischen Novartis, Bund und Land berichtet, die "Kronen Zeitung" meldete Montagfrüh die Gesamtinvestitionssumme.

Kritische Infrastruktur

Für die türkis-grüne Bundesregierung zählt die Penicillinproduktion in Kundl zur volkswirtschaftlich wichtigen kritischen Infrastruktur. "Die aktuelle Krise zeigt nicht nur, dass die pharmazeutische Industrie zu den Schlüsselindustrien eines Landes zählt, sondern auch die klare Abhängigkeit bei der Medikamentenversorgung von Asien, die sich in den letzten Jahren entwickelt hat", so Wirtschaftsministerin Schramböck. Es sei eine "strategische Pflicht, Schlüsselindustrien zu sichern".

Sandoz-Chef Richard Saynor lobte die Zusammenarbeit der öffentlichen Hand mit dem privaten Sektor. "Antibiotika sind das Rückgrat moderner Medizin, und unser Werk in Kundl in Österreich ist die letzte verbliebene voll integrierte Antibiotikaproduktion in der westlichen Welt, in der sowohl die Wirkstoffe als auch Fertigformen hergestellt werden". Der Schweizer Pharmakonzern Novartis hat laut dem Österreich-Chef Michael Kocher in den vergangenen 25 Jahren haben mehr als 2,5 Mrd. Euro in die österreichischen Produktionsstandorte investiert.

Kurz: "Starkes Signal"

Als "starkes Signal" für den Standort Österreich bezeichneten Bundeskanzler Sebastian Kurz und Tirols Landeshauptmann Günther Platter (beide ÖVP) die Entscheidung von Novartis, die Antibiotikaproduktion in Österreich zu belassen und auszubauen. Das Land Tirol beteiligt sich mit fünf Millionen Euro am Erhalt des Standortes in Kundl. Auch für Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) ist es ein "großer und wichtiger Schritt", um die Arzneimittelproduktion in Europa zu halten.

Lobende Worte kamen vom Verband der pharmazeutischen Industrie Österreichs (Pharmig): "Es kann gar nicht hoch genug geschätzt werden, dass es hier sowohl von politischer als auch von unternehmerischer Seite letztlich das gemeinsame Bekenntnis gibt, eine Abwanderung aus Österreich zu vermeiden", so Pharmig-Generalsekretär Alexander Herzog. Für den Fachverband der Chemischen Industrie Österreichs (FCIO) brachte die Einigung "Versorgungssicherheit und wichtige wirtschaftliche Impulse".

"Grundsätzlich positiv" bewertete NEOS-Gesundheitssprecher Gerald Loacker den Verbleib der Penicillinproduktion in Kundl. Von einer Stärkung und einem Ausbau der Arzneimittelproduktion in Österreich sei man aber "noch Lichtjahre entfernt". (APA, 27.7.2020)