Madrid – Als künstliche Polymere erstmals im großen Stil zu Einsatz kam, war man begeistert über den wunderbar haltbaren Werkstoff. Wie man inzwischen weiß, verursacht gerade die enorme Haltbarkeit von Kunststoff langfristig Probleme: Es zersetzt sich in den meisten Fällen nur sehr langsam und belastet dadurch die Umwelt in immer stärkerem Ausmaß, wahrscheinlich für Jahrhunderte. Wissenschafter haben errechnet, dass zwischen dem Beginn der Massenherstellung in den 1950er-Jahren und 2015 die Menschheit rund 8,3 Milliarden Tonnen Kunststoff produziert hat – das entsprecht der Masse von 822.000 Eiffeltürmen oder 80 Millionen Blauwalen.

Plastikmüll im Meer sorgt nicht nur an der Oberfläche für Probleme.
Foto: OCEANA/Ángeles Sáez

6,3 Milliarden Tonnen davon gelangten in den Müll, wovon nur neun Prozent recycelt und 12 Prozent verbrannt wurden. Die restlichen annähernd 80 Prozent – also fünf Milliarden Tonnen – landeten auf Müllhalden und in der Umwelt. Winzige Plastikpartikel sind mittlerweile auf der gesamten Erdoberfläche, in der Atmosphäre darüber und insbesondere in den Ozeanen bis in die entlegensten Tiefseegräben verbreitet. So haben etwa Biologen im März dieses Jahres im Marianengraben in 6.500 Metern Tiefe eine neue Flohkrebsart entdeckt, in dessen Bauch sie Mikroplastik fanden. Der Zivilisationabfall wurde zum Namensgeber der neuen Spezies: Eurythenes plasticus.

Der Großteil verschwindet in der Finsternis

Nun haben Forscher festgestellt, dass der Anteil des in die lichtlose Tiefsee entschwindenden Plastikpartikel höher ist als bisher angenommen: Rund 99 Prozent der Kunststoffabfälle sinken in europäischen Meeren in große Wassertiefen ab, wo sie auf den ökologisch besonders empfindlichen Meeresböden landen.

Fast der Großteil des Kunststoffabfalls sinkt in die Tiefe, wo es bei den empfindlichen Ökosystemen besonders viel Schaden anrichten kann.
Foto: Oceana Europe

Gefährdet sei laut einer von der Umweltorganisation Oceana präsentierten neuen Studie vor allem das Mittelmeer wegen der hohen Bevölkerungsdichte seiner Anrainerstaaten, der großen Wassertiefe und des geringeren Wasseraustausches. Der Plastikmüll werde durch unterseeische Strömungen in die Tiefe gezogen. Viele Bereiche des Meeresbodens, vor allem Rinnen, Senken und Täler, glichen inzwischen wilden Mülldeponien an Land, schreiben die Autoren der Studie. In den dunklen und kalten Regionen Hunderte Meter unter der Wasseroberfläche werde es Jahrhunderte dauern, bis der Plastikmüll abgebaut worden sei.

Plastiksammeln am Strand reicht nicht

Die Direktorin der Kampagne gegen Plastik bei Oceana Europe, Natividad Sanchez, betonte, die Reinigung der Strände und das Einsammeln von Plastik an der Wasseroberfläche sei richtig, aber völlig unzureichend. "Die Produktion von Einwegplastik muss verringert werden", forderte sie. Die Empfehlungen der EU-Richtlinie zur Verringerung von Plastikabfällen vom Juni vergangenen Jahres seien zu wenig. Die Umweltkosten seien im Vergleich zu dem billigen Plastik immens und wegen der jahrhundertelangen Effekte kaum zu beziffern. Die EU plant eine Abgabe auf Plastik ab dem kommenden Jahr, unter anderem um die Abfallmengen so zu verringern.

Nicht nur kleinste Partikel, auch große Abfallteile finden den Weg in die Tiefsee.
Foto: Oceana Europe

Die Umweltschutzorganisation WWF hatte vor einem Jahr vor den riesigen Mengen an Plastikmüll im Mittelmeer gewarnt. Jedes Jahr gelange mehr als eine halbe Million Tonnen Plastik ins Mittelmeer. Das entspreche 33.800 Plastikflaschen pro Minute. Vor allem Ägypten, Italien und die Türkei machte der WWF während der Sommermonate für enorme Abfallmengen verantwortlich. Ein großer Teil des Mülls werde von Flüssen ins Meer gespült. (red, APA, 2.8.2020)