Der Nasen-Mund-Schutz könnte in Lebensmittelgeschäften bald wieder Vorschrift sein.

Foto: APA/FOTOKERSCHI.AT/KERSCHBAUMMAYR
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Dies ist ein computergeneriertes, auszugsweises Transkript zu Testzwecken. Derzeit erwägen wir Möglichkeiten, wie und ob wir künftig ausgewählte Podcasts auch in schriftlicher Form anbieten können. Die Aufnahme ins reguläre Angebot hängt unter anderem vom Leserinteresse ab. Feedback zu diesem Angebot nehmen wir gerne im Forum entgegen!


Antonia Rauth: [00:00:15] Im oberösterreichischen Urlaubsort St. Wolfgang sind Stand Sonntagabend 53 Personen mit dem Coronavirus infiziert. 52 davon sind Hotelmitarbeiter. Nur ein Betroffener ist ein Gast. Ein kleiner österreichischer Ort mit vielen Touristen als Corona-Hotspot – da liegt der Ischgl-Vergleich natürlich nahe. Wie die Situation in St. Wolfgang wirklich aussieht und ob es tatsächlich Ähnlichkeiten zum verheerenden Corona-Ausbruch in Tirol gibt, erklärt Irene Brickner vom STANDARD. Vergangene Woche ist der erste Hotelmitarbeiter in St. Wolfgang positiv auf das Coronavirus getestet worden. Wie hat sich die Situation seitdem entwickelt?

Irene Brickner: [00:00:53] Also laut der Gemeinde und einem Sprecher der Wirte und der Gastronomendort hat sich das Ganze so abgespielt: Am Mittwoch gabs den ersten Anstoß, dass es positive Tests gibt. Ich weiß nicht, ob es sich um eine Person gehandelt hat oder schon noch mehrere. Daraufhin gab es Tests in der Gruppe der Praktikanten, weil die erste Person oder die ersten wenigen Personen Praktikanten waren. Es war dann Freitagfrüh eine Meldung der Austria Presseagentur, dass man acht Fälle gefunden habe, und es ist dann relativ rasch getestet worden, laut der Gemeinde innerhalb von zehn Stunden. Anscheinend ist man so vorgegangen, dass man die Belegschaft der betroffenen Hotels, in denen diese Praktikanten gearbeitet haben und so weiter getestet hat, sowie am Samstag und am Sonntag im Rahmen von einem Drive-in vom Roten Kreuz kurz vor der Ortseinfahrt. Das war deshalb so rasch möglich in der Gemeinde, weil ohnehin geplant gewesen sei, ab Freitag Testa zu machen. Und zwar diese flächendeckenden Tests, die die Frau Landwirtschaftsministerin und Tourismusministerin Köstinger für die Gastronomie angekündigt hat. Zu diesen Tests habe man sich in der Gemeinde vor vier Wochen schon angemeldet.

Antonia Rauth: [00:02:14] Wie geht den Erkrankten denn jetzt? Weiß man etwas darüber, wie die Verläufe sich entwickeln?

Irene Brickner: [00:02:20] Ja, offensichtlich handelt es sich bei all den positiv Getesteten, bis auf einen Gast, der sich derzeit wieder zu Hause im Burgenland in Quarantäne befindet, um Leute zwischen 16 und 20 Jahren, also ganz junge Menschen. Die haben alle Grippesymptome, erhöhte Temperatur bis hin zu leichtem Fieber, Schnupfen, Halsweh und so weiter. Was heißt, dass sie bisher nicht schwer erkrankt sind. Dazu muss man aber auch sagen, dass Covid 19 eine Krankheit ist, die in der ersten Woche eigentlich bei allen Menschen oder bei fast allen Menschen relativ harmlos verläuft. Und wenn es zu einer Verschlechterung kommt, ist es in der zweiten Woche. Dennoch scheint es so zu sein, dass es sich bei diesen jungen Leuten in Grenzen hält.

Antonia Rauth: [00:03:09] Weiß man denn wie genau sie sich angesteckt haben?

Irene Brickner: [00:03:12] Ja, das weiß man. Die haben einfach gearbeitet im Rahmen ihres Praktikums in den diversen Hotels und haben sich danach getroffen und miteinander einen Kaffee oder ein Bier getrunken. Sie haben auch miteinander in Apartments gewohnt und übernachtet, wo sie zu dritt oder zu viert in einem Zimmer gelebt haben. Soweit ich das rekonstruiert habe, sind da keine illegalen Partys gefeiert worden. Da gab es einfach Unterhaltungen in zwei Lokalen in St. Wolfgang, die man sich so vorstellen muss wie Kaffeehäuser mit Nachtbetrieb.

Antonia Rauth: [00:03:48] Sowohl diese Bars und Cafés als auch die Hotels, in denen die Erkrankten arbeiten, sind ja weiterhin offen. Ist denn das vernünftig? Sollte nicht, vielleicht drastisch gefragt, gleich der ganze Ort unter Quarantäne gestellt werden?

Irene Brickner: [00:04:00] Da kann ich jetzt die Antwort geben, die vonseiten der Gemeinde und auch des Landes kommt. Es wird gesagt, dass man eben einen Cluster von Personen, nämlich Praktikanten, identifiziert habe und alle in Quarantäne gesetzt hat. Und, dass bei all den Tests, die bis jetzt durchgeführt worden sind, das waren jetzt 628 Tests am Samstag und am Sonntag, nur ein infizierter Gast gefunden worden ist. Und darüber hinausgehend, also unter den bis jetzt glaub ich, 53 oder 54 festgestellten Infizierten, lauter Mitarbeiter in der Gastronomie. Da habe man verhindern können, dass dieses Virus über diese Gruppe hinaus sich verbreitet. Und aufgrund dessen sei es nicht notwendig, diese Hotels zuzudrehen. Ob das jetzt tatsächlich eine kluge Sache ist oder nicht, ist jetzt schwer einzuschätzen. Das wird sich erst in den nächsten ein, zwei Wochen herausstellen. Je nachdem, ob es zu weiteren Infektionen kommt oder nicht. Meines Erachtens spricht schon einiges dafür, Betriebe zuzusperren, wenn es solche Infektionen gegeben hat. Aber auf der anderen Seite hat sich ja das Gesundheitsministerium, haben sich die Länder hier eigentlich entschieden und meinen auch, dass sie die Cluster verfolgen können und die Leute in Quarantäne setzen. Wenn das stimmen sollte, dann ist diese Entscheidung vielleicht nicht ganz so unvernünftig und irrational, wie sie vielen Leuten derzeit offenbar erscheint.

Antonia Rauth: [00:05:33] Es sind eben vor allem Hotelmitarbeiter am Virus erkrankt, kaum Gäste. Könnte das etwas damit zu tun haben, dass in Oberösterreich schon seit mehreren Wochen wieder eine Maskenpflicht in der Gastronomie gilt?

Irene Brickner: [00:05:44] Ich glaube schon. Obwohl rund um die Masken in der Kommunikation seit Beginn dieser Pandemie ziemlich viel Schindluder getrieben worden ist. Und zwar von ganz oben, von der WHO bis hinunter. Nämlich indem es sehr lange hieß, dass diese Masken sinnlos seien und jetzt auf einmal genau das Gegenteil verbreitet wird, dass sie extrem sinnvoll seien. Ich meine schon, dass die Masken etwas bringen. Ich glaube, es war ein Glück, dass in Oberösterreich derzeit in der Gastronomie Masken verwendet werden müssen. Und zda muss man ziemlich präzise sein. Also nicht nur, dass das Servicepersonal Masken trägt, sondern auch die Gäste in den Lokalen, sobald sie sich erheben vom Tisch oder wenn sie hineinkommen. Ich glaube, dass das auf alle Fälle ein Positivum ist. Ich habe jetzt gerade gehört, dass offensichtlich das Land Salzburg sich überlegt, für die Anrainerorte am Wolfgangsee auch eine solche Maskenpflicht wieder einzuführen.

Antonia Rauth: [00:06:44] Jetzt einmal anders gefragt: Bis jetzt sind kaum Gäste erkrankt. Könnte es aber auch möglich sein, dass man das einfach nur noch nicht weiß? Die könnten ja schon abgereist sein oder einfach nicht getestet worden, weil das war ja freiwillig für Gäste.

Irene Brickner: [00:06:58] Es war freiwillig. Unsere Mitarbeiterin, die Stefanie Ruep, die heute hingefahren ist und jetzt gerade dort ist, sagt also, dass schon einige Gäste abgereist seien, ohne sich testen zu lassen. Aber laut Auskunft der Gemeinde handelt es sich um wenige Personen.

Antonia Rauth: [00:07:16] Immer wieder liest man jetzt auch, dass St. Wolfgang das neue Ischgl werden könnte. Ist diese vergleichend zulässig?

Irene Brickner: [00:07:24] Auch hier kann ich jetzt nicht eindeutig Ja oder Nein sagen. Vielleicht einmal die Dinge, die dafür sprechen würden, dass es eine Vergleichsmöglichkeit existiert: Faktum ist, es handelt sich um Tourismusgebiete. Faktum ist, dass gerade Saison ist, also Sommersaison, in Ischgl war Wintersaison. Faktum ist, dass es sich um Orte handelt wie Hotels und Restaurants, wo Leute eng zusammen kommen. Leute, die sonst nicht eng zusammenkommen würden. Und natürlich gibt es drittens auch ein Interesse am Tourismus, gerade in Österreich, wo sehr viel Geld damit gemacht wird, das auch nötig ist für Steuerleistungen und so weiter und so fort. Der Tourismus also zum allgemeinen Wohlstand beiträgt. Weshalb wohl versucht wird, eine solche Situation wie diese von vornherein so undramatisch wie möglich darzustellen. Das sind die Argumente, dass es ähnlich sein könnte. Was dagegen spricht, ist erstens, dass Ischgl zu einer Zeit passiert ist, wo man über dieses Virus wenig bis nichts wusste. Es ist mittlerweile Stand der Wissenschaft, dass man davon ausgeht, dass sich dieses Virus in Ischgl schon ein paar Wochen lang ausgebreitet hat. Bevor überhaupt klar war, dass es sich um dieses neue Coronavirus handelt. Das heiß es war schon sehr vrbreitet in der Bevölkerung und auch unter den Gästen, bevor man draufgekommen ist, dass es diese Infektionen gibt. Das ist jetzt sicher nicht der Fall in St. Wolfgang. Also erstens kann man es jetzt identifizieren, zweitens passen in der Bevölkerung die Menschen selbst auf ihre Symptome auf. Und man kann eben relativ rasch feststellen, dass solche Fälle stattgefunden haben und sie tatsächlich eingrenzen. Was außerdem dagegen spricht, ist, das St. Wolfgang, nicht der Ballermann ist, sondern es eher ein Ort, wo Leute ganz gewöhnlich dej Sommerurlaub verbringen. Zwar durchaus auch feiern, aber nicht in diesem intensiven Ausmaß wie beim Après Ski.

Antonia Rauth: [00:09:15] Du hast es schon angesprochen: in Österreich ist der Tourismus eben auch eine wichtige Einnahmequelle. Deshalb unterstellen jetzt viele Kritiker den Verantwortlichen, dass sie in diesem Bereich zu lax reagieren. Der Vorwurf lautet:g"Gäbe es so viele Fälle in einem Asylheim, wäre es längst unter Quarantäne gestellt worden." Wie würdest du das beurteilen? Gibt's hier wirklich eklatante Unterschiede im Vorgehen der Behörden?

Irene Brickner: [00:09:39] Was ich schon wahrnehme, ist eine gewisse Tendenz, eine solche Causa wie jetzt in St. Wolfgang so harmlos wie möglich darzustellen, von Seiten derjenigen, die dort damit zu tun haben. Das stimmt auf der einen Seite schon. Auf der anderen Seite gibt es aber durchaus Regeln, wie vorzugehen ist, wenn ein Cluster gefunden wird. Um dieses einzugrenzen ist ist es nicht unbedingt notwendig, die gesamte Institution zu schließen. Vielleicht ein anderes Beispiel: In Reichenau an der Rax gibt's sozusagen eine Dependance vom Flüchtlingslager Traiskirchen, wo Leute leben, die im Dublin-Verfahren sind. Und da gab es einen Coronafall, schon vor fünf oder sechs Wochen. Da hieß es dann, dass die gesamte Institution zugesperrt worden sei. Wie ich mich da näher erkundigt habe, bin ich draufgekommen, dass das nicht der Fall war. Sondern dass man das Zimmer, wo diese Personen gelebt hat, und die Zimmer rundherum unter Quarantäne gesetzt hat. Das heißt auch in den Flüchtlingsheimen wird unterschiedlich damit umgegangen. Weil vielleicht erinnern sich manche Hörerinnen und Hörer: Traiskirchen wurde als Gesamtes unter Quarantäne gesetzt. In dem Sinne denke ich mir schon, dass es unterschiedliche Vorgangsweisen, je nachdem, wo die Infektionen stattfinden und wie rekonstruierbar die Gruppe ist, gibt.

Antonia Rauth: [00:10:58] In St. Wolfgang ist die Situation jetzt ja noch lange nicht ausgestanden. Es ist noch eine ganze Reihe an Tests, die ausgewertet werden muss. Nachforschungen stehen noch auf dem Plan. Was für Schritte hältst du hier denn noch für möglich? Könnte hier tatsächlich noch einmal ein Mini-Lockdown sozusagen kommen?

Irene Brickner: [00:11:14] Nach jetzigem Stand der Dinge jetzt am Montag hat mir die Stefanie, die gerade dort ist, erzählt, dass vom Land und von der Gemeinde ausgeschlossen wird, dass es zusätzliche Maßnahmen geben soll. Ich würde aber nicht ausschließen, dass es die gibt. Und zwar wird sich das entscheiden über der Frage, wie viele weitere positive Fälle jetzt bei den restlichen über 400 durchgeführten Tests sich herausstellen. Derzeit wird es so dargestellt, dass in der ersten Tranche von Tests, die die Mitarbeiter in der Gastronomie betroffen haben, viele Fälle gefunden wurden. In der zweiten Tranche der Bewohner und Gäste dann schon weniger, nämlich neun zusätzliche gestern. Und wenn jetzt in der dritten Tranche wieder sehr wenig Fälle zu finden sind, wenn das tatsächlich so abläuft, dann würde ich sagen: Ja, es wird keine zusätzlichen Maßnahmen geben. Sollte es anders kommen, was durchaus möglich ist, dann nehme ich schon an, dass zu Maßnahmen gegriffen wird, bis hin zu vielleicht wirklich den Hotelschließungen, was dann natürlich retrospektiv zu spät wäre, oder vielleicht sogar Maßnahmen in der Gemeinde selber. Wie gesagt, das Land Salzburg überlegt, eine Maskenpflicht in der Gastronomie in den Salzburger Orten am Wolfgangsee einzuführen. Dazu möchte ich schon gerne etwas sagen. Diese Verzettelung nach dem föderalistischen Prinzip ist eigentlich in dieser Situation völlig kontraproduktiv. Es bräuchte Maßnahmen, die in ganz Österreich gleich sind. Und eigentlich bräuchte es auch Maßnahmen, die innerhalb der Europäischen Union nach Regionen unterteilt, nicht nach Nationalstaaten unterteilt, gesetzt werden können. Leider sieht man jetzt, welche Nachteile es hat, wenn die Kompetenzen für einen so wichtigen Bereich wie den Gesundheitsbereich eben in den kleinsten, den mittleren Einheiten festgesetzt sind und es keine Stimme gibt, die für alle sprechen kann.