Auf die meisten Medien ist die deutsche Rechtsaußenpartei AfD nicht besonders gut zu sprechen, sieht man sie doch als Feinde der eigenen Sache. Und vermeintliche oder tatsächliche Fehler in der Berichterstattung werden dementsprechend gerne auf sozialen Medien ausgeschlachtet, Vorwürfe wie Desinformation oder politische Agenda erhoben.

So auch bei einem Artikel der "Berliner Zeitung" ("BZ"). Unter der Überschrift "Frau übersieht Fahrspurende und fährt in Baustelle" berichtet man über einen Verkehrsunfall mit zwei Verletzten. Der Titel scheint keine Zweideutigkeit zu transportieren. Eine Fahrerin übersah das Ende der Fahrspur und krachte in laufende Straßenbauarbeiten. Nicht gar so eindeutig sieht das allerdings Gunnar Lindeman, der für die AfD im Berliner Abgeordnetenhaus sitzt.

Ein Tweet und ...

"Der tägliche Genderwahnsinn", schreibt er zu einem Screenshot der Überschrift. "Jetzt werden sogar Fahrspuren gegendert." Die "BZ" solle sich an "gute, alte Duden-Rechtschreibung" halten und nicht "links-grüne Ideologien" verbreiten, beschwert er sich. Hashtag: "#Gendergaga".

Foto: Screenshot/Twitter

... viele amüsierte Reaktionen

Die Deutung, dass hier die "Fahrspur" in ein geschlechtsneutrales Wort umgebaut wurde, teilen allerdings nicht viele. Zahlreiche Reaktionen amüsieren sich über Lindemanns Sichtweise. Dazu gibt es allerlei Verweise auf andere Begriffe, die man mit viel Fantasie als "gegendert" deuten könnte, etwa "Autoinnenreiniger" und "Spurrinnen" und – der Klassiker – "Hähncheninnenfilet" (austriakisch: Hühnerinnenfilet).

Neben humorvollen und sarkastischen Antworten finden sich allerdings auch einige Beschimpfungen unter den Reaktionen. Manche Nutzer vermuten, dass Lindemann seinen Tweet eigentlich scherzhaft gemeint habe.

Politiker verweist auf Duden

Als Indiz dagegen spricht allerdings, dass der AfD-Politiker wenige Stunden später der Kritik entgegentrat. Und zwar mit einem Screenshot der Duden-Website, auf der sich kein Eintrag zu "Fahrspur" finden lässt. Während gängige deutsche Online-Wörterbücher (Duden, Langenscheidt, Pons) das "Fahrspurende" zwar nicht separat ausweisen, kennen manche Übersetzungstools – etwa jenes von Pons für Kfz-Begriffe – es sehr wohl.

Die Bildung von Begriffen durch die Verbindung von zwei bestehenden Wörtern, man spricht grammatikalisch von einer "Komposition", ist nämlich zulässig. Und gerade in der Verkehrsberichterstattung hat sich das "Fahrspurende" längst eingebürgert. (gpi, 28.7.2020)