Eine "nette" Therapiesitzung sieht so aus.

Foto: Carole Bethuel

Es ist nur eine Frage des Komforts. Kaum wird eine bequeme Couch angeboten, stehen die Bewohner der tunesischen Hauptstadt für Selmas Psychotherapie Schlange. Das meint zumindest der Imam, der in direkter Nachbarschaft zur Pariserin wohnt und bald selbst zu ihrem Kundenstamm gehört. Das Interesse gilt jedoch vor allem der unverheirateten, tätowierten, rauchenden Selma selbst, die als Kind von Tunesien nach Frankreich gezogen ist und nun zurückkehrt, um eine eigene Praxis aufzumachen. Während in Paris ein Überangebot an Psychoanalyse herrscht, hofft sie, hier eine Marktlücke entdeckt zu haben. Denn trotz des hohen Redebedarfs der Tunesier hat man in Tunis keine Ahnung von Gesprächstherapie. Ein Porträt Sigmund Freuds wird auch sogleich mit Selmas Vater verwechselt – weil er einem doch irgendwie bekannt vorkommt.

Freud-Double und Psychoanalyse

Nur wenige Wochen später muss sie wieder schließen: Die Bürokratie kommt in die Quere, und auch die neue Bekanntschaft mit einem Polizisten nützt da nichts – im Gegenteil. Ausgerechnet ein Freud-Double kommt der Psychoanalytikerin zu Hilfe und bringt ihr die zündende Idee, ihre Praxis doch noch weiterführen zu können. Auf der Couch in Tunis ist der Erstlingsfilm von Regisseurin Manele Labidi, die sich in der Komödie mit ihrer eigenen Herkunft auseinandersetzt.

KinoCheck Indie

Nach einer Karriere im Finanzwesen fand sie erst später zu Theater, Fernsehen und schließlich zum Film. Die Psychoanalyse kennt Labidi aus Patientensicht. Diese Erfahrung sowie jene der tunesischen Revolution 2011 inspirierten sie zu ihrer Geschichte. Leider spürt man davon nur wenig. Ob die titelgebende Couch nun in Tunis, Paris oder Amsterdam steht: Vor Antragstellern weglaufende Beamte, aufmüpfige Cousinen, die ihre schlecht gefärbten Haare unter dem Kopftuch tragen, aufdringliche Autoverkäufer oder improvisierte Alkoholkontrollen sind wirklich überall zu finden. Von Tunesien und dem Konflikt in der Gesellschaft erfährt man hier – trotz Intention – nur wenig. Ebenso die Figuren, Selma (Golshifteh Farahani) und ihre durchaus spannende Kundschaft, lernt man nur oberflächlich kennen.

Sobald etwas mehr zur Sprache kommt, die Patienten sich öffnen wollen, ist die Redezeit auch schon wieder vorbei. Wenn dann auch die Filmzeit abgelaufen ist, bleibt man mit einem optimistischen, aber ebenso unklaren Ende zurück. Eine nette, aber zu kurze Therapiesitzung mit schönen Bildern, der etwas mehr Redezeit gutgetan hätte. (Katharina Stöger, 29.7.2020)