Tief unter dem Grund des Pazifiks schlummern seit rund 100 Millionen Jahren Mikroorganismen – und lassen sich in kürzester Zeit wieder aktivieren. Das berichtet ein internationales Forscherteam im Fachblatt "Nature Communications". Die Wissenschafter konnten die winzigen Lebewesen unter Laborbedingungen vermehren.

Seit Jahrzehnten sammeln Wissenschafter Sedimentproben vom Grund der Ozeane, um das Klima vergangener Zeiten, die Plattentektonik und das tiefmarine Ökosystem besser zu verstehen. Eine Expedition führte nun ein Team um den Mikrobiologen Yuki Morono von der japanischen Meeresforschungsbehörde Jamstec zum Südpazifischen Meereswirbel.


Fluoreszenzmikroskopische Aufnahme der uralten Tiefsee-Sedimentbewohner.
Foto: Jamstec

Rätselhafte Region

Dieser Wirbel bedeckt etwa zehn Prozent der Meeresoberfläche, umfasst 37 Millionen Quadratkilometer und zählt zu den am wenigsten erforschten Regionen der Erde. Das US-japanische Team nahm vom Forschungsschiff Joides Resolution aus mehrere Bohrproben vom Grund des Südpazifischen Meereswirbels. Die Wissenschafter bohrten bis zu 74,5 Meter tief in Sedimentschichten, die vor 13 bis 101,5 Millionen Jahren entstanden waren.

Aufgrund der spezifischen Umweltbedingungen, die dort herrschen, wird die Region oft als marine Wüste bezeichnet: Die Sonneneinstrahlung in diesem Gebiet in der Mitte des Südpazifiks ist sehr hoch, der UV-Index extrem und Zuflüsse vom Land kommen hier nicht an. Infolgedessen ist das Wasser nicht nur überaus klar, sondern auch äußerst nährstoffarm. "Unsere zentrale Frage war, ob in einer so nährstoffarmen Umgebung Leben existieren könnte oder ob dies eine unbelebte Zone ist", sagt Yuki Morono. "Und wir wollten wissen, wie lange Mikroben ihr Leben fast ohne Nahrung aufrechterhalten können."

Video zur aktuellen Studie.
NPG Press

Sauerstoff im Sediment

Auf dem Meeresboden bilden sich Sedimentschichten, die aus sogenanntem Meeresschnee, also organischen Abfällen von der Meeresoberfläche, sowie Staub und Partikeln bestehen, die vom Wind und Meeresströmungen hergetragen werden. Mikroorganismen werden in diesem Sediment eingeschlossen – etwa Bakterien, Mikroalgen oder Protozoen. Die meisten von ihnen sind Einzeller, doch auch einige Pilze und Algen gehören mit einer Größe von weniger als 0,03 Millimetern dazu.

Für ihre Studie entnahmen die Wissenschafter Bohrkerne aus den Untiefen dieser Region und untersuchten die Zusammensetzung der Sedimentschichten. In allen Proben war Sauerstoff zu finden. Die Forscher folgerten daraus, dass durch die sehr langsame Sedimentbildung am Meeresboden des Wirbels – etwa ein Meter alle ein bis zwei Millionen Jahre – Sauerstoff nach unten dringen kann. Das wären Bedingungen, in denen aerobe Mikroorganismen über enorme Zeitspannen überleben könnten.

Wissenschafter an Bord des Forschungsschiffs Joides Resolution.
Foto: IODP JRSO

Aufgeweckte Organismen

Mit spezifischen Laborverfahren, die über die Dauer der Studie immer weiter verfeinert wurden, behandelten die Wissenschafter die Proben, um das Wachstum der im Sediment enthaltenen Mikroben anzuregen. Und tatsächlich zeigte sich bald: Die Mikroorganismen waren zum Großteil keine Fossilien, sondern lebensfähige aerobe Bakterien, die zur Teilung fähig waren.

"Anfangs war ich skeptisch, aber wir entdeckten, dass bis zu 99,1 Prozent der vor 101,5 Millionen Jahren abgelagerten Mikroben in den Sedimenten noch lebten und zur Nahrungsaufnahme bereit waren", sagte Morono.

Für seinen Mitautor Steven D'Hondt ist das die spannendste Erkenntnis der Studie: "Das zeigt, dass das Leben in den alten Sedimenten der Weltmeere unbegrenzt ist, dass es in den ältesten Sedimenten mit der geringsten Menge an Nahrung noch lebende Organismen gibt und dass sie zurückkehren, wachsen und sich vermehren können." (red, APA, 28.7.2020)