Solch einsame Radwege finden sich selten in Ortschaften auf dem Land. Forscher wollen das ändern.

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In größeren Städten ist es mittlerweile selbstverständlich, dass öffentlicher Raum möglichst vielen Bedürfnissen gerecht wird: Plätze und Straßen sollen zum einladenden Lebensraum werden – auch für Fußgänger und Radfahrer. In ländlichen Gebieten ist dieser Gedanke noch nicht so stark angekommen. Das Auto hat hier einen hohen Stellenwert und wird auch für kurze Wege oft verwendet.

Im Projekt "Anfang" möchten Forschende des Instituts für Verkehrswesen der Universität für Bodenkultur (Boku) in Wien und des Forschungsinstituts Factum Bewusstsein für nachhaltige Mobilität auf dem Land schaffen.

Im Fokus stehen die Bedürfnisse junger Familien – und damit Fragen wie: Wie müssen die Verkehrswege in einer Ortschaft aussehen, damit Kinder gefahrlos zu Fuß oder per Rad von A nach B kommen können? Unterstützt wird das Projekt durch die Förderagentur FFG mit Mitteln des Klimaschutzministeriums.

Umdenkprozess anstoßen

Ein Blick auf Mobilitätsdaten zeigt eine – für Projektleiter Oliver Roider von der Boku wenig überraschende – Realität: Mit den Kindern wird für die Eltern eine Vielzahl von Begleit- und Servicefahrten notwendig, die Pkw-Nutzung nimmt zu. Die Studie "Österreich unterwegs" zeigt etwa, dass mehr als 75 Prozent der Begleitwege mit Kindern unter sechs Jahren mit dem Auto erfolgen – obwohl die meisten dieser Wege kürzer als fünf Kilometer sind.

"Auf der anderen Seite haben wir aber auch gesehen, dass manche Eltern das Rad dennoch gerne mit ihren Kindern nutzen. Ihnen fällt aber schnell auf, wo es Probleme gibt", sagt Roider. Dieses Problembewusstsein will das Forscherteam anzapfen, um einen Umdenkprozess in den Gemeinden anzustoßen oder zu forcieren.

Zwei Modellgemeinden stehen im Zentrum: Spillern und Langenzersdorf im Bezirk Korneuburg nördlich von Wien. Beides sind Gemeinden, in denen man innerhalb einer Viertelstunde zu Fuß fast jeden Ort erreichen kann. Hier wurden die vorhandenen Infrastrukturen analysiert, Interviews mit Jungfamilien geführt und mögliche Maßnahmen mit Bürgermeistern und Gemeindevertretern besprochen.

Angst vor dem Autoverkehr

Das Kind per Rad in Kindergarten oder Volksschule zu begleiten, sehen viele Eltern als angenehme Vorstellung. Abgehalten werden sie vor allem von der Angst vor Unfällen mit Autos. Ein dichtes Radwegenetz ist ein Anfang, reicht aber oft nicht aus, die Ängste zu nehmen, so Roider. Deshalb sollten Radwege durchgängig und physisch abgetrennt sein.

Denn auch wenn die Autos auf den gemeinsamen Straßen nicht schnell unterwegs sind, werden sie dennoch als Bedrohung wahrgenommen. "Eine Tempo-30-Zone mit breiten Straßenquerschnitten gilt als verkehrsberuhigende Maßnahme. Sie allein motiviert die Jungfamilien aber kaum zum Radfahren. Die Maßnahmen müssen weiter gehen", sagt Roider.

Oft sind es Kleinigkeiten

Was braucht es also? Oft sind es Kleinigkeiten, die das Gemeindebudget wenig belasten, aber eine wesentliche Verbesserung bringen, sagt Roider. "Als Abgrenzung von Rad- und Fußwegen reichen oft einfache Betonelemente oder große Blumenkisteln", gibt der Forscher Beispiele. "Führt eine Bundesstraße durch den Ort, sollte es auf dem Weg zum Kindergarten entsprechende Querungsmöglichkeiten geben."

Eine gute Beschilderung gehört dazu, genauso wie die Pflege der Infrastruktur: Fuß- und Radwege, die voller Schlaglöcher sind oder im Sommer zuwachsen, schrecken ab, sagt Roider. "Sie müssen in gleicher Art gewartet sein wie jene für den Autoverkehr."

Ein "Konzept zur Förderung aktiver Mobilität von Jungfamilien im ländlichen Raum" als Broschüre für Gemeinden ist ein Output des Projekts. Sie enthält eine Vielzahl möglicher Maßnahmen und Best-Practice-Beispiele – vom "mitwachsenden Kinderrad", einer Fördermaßnahme, bei der man Räder mit geringem Aufpreis eintauschen kann, bis zum "Pedi-Bus-System", bei dem Erwachsene Kinder abholen und als Gruppe in den Kindergarten begleiten. (Alois Pumhösel, 4.8.2020)