Künstlerische Darstellung eines Marskolonisten. Ein mit Schimmelpilzen überzogenes Habitat könnte sein Leben verlängern.

Illustration: NASA/JPL-Caltech

Aufnahme des Experiments auf der ISS.

Foto: bioRxiv

Immer mehr Nationen und private Unternehmen verfolgen das Ziel, Menschen in absehbarer Zukunft zum Mars zu schicken. Technologisch denkbar wären solche Flüge schon heute – wenn Erkrankungen und frühzeitige Tode der Kolonisten in Kauf genommen würden. Denn die Liste der medizinischen Probleme, die bei längeren Raumflügen oder Aufenthalten auf dem Roten Planeten drohen, ist lang. Ganz oben steht die hohe Strahlenbelastung, der Raumfahrer im All ausgesetzt sind.

Auf unserem Heimatplaneten erreicht uns dank Erdmagnetfeld und dichter Atmosphäre nur ein Bruchteil der hochenergetischen Teilchenstrahlung, die von der Sonne und anderen Sternen, aus Supernovae und der Umgebung von Schwarzen Löchern stammt. Auf der Internationalen Raumstation (ISS) etwa, die unseren Planeten in einer niedrigen Erdumlaufbahn umrundet, ist die Belastung schon höher – doch auch die ISS profitiert noch vom Erdmagnetfeld. Fernab der Erde fehlt dieser Schutzschild vor ionisierenden Teilchen komplett – mit schwerwiegenden Folgen: Hohe Strahlungdosen führen zum Zelltod, zu Mutationen und in weiterer Folge zu einem erhöhten Krebsrisiko.

Radiotrophe Pilze

Der Teilchenhagel lässt sich nicht so einfach abschirmen, durch die Außenhülle eines konventionellen Raumschiffs etwa geht die Strahlung durch. Dabei kann sekundäre Strahlung entstehen, die sogar noch schädlicher für den Menschen ist. Forscher lassen jetzt mit einer spannenden Idee aufhorchen, die im ersten Moment ein wenig wie ein Science-Fiction-Horrorszenario klingt: Spezielle Pilze, die im explodierten Reaktor des stillgelegten Kernkraftwerks Tschernobyl gedeihen, könnten Raumfahrern als eine Art biologischer Schutzschirm dienen. Erste Experimente an Bord der Internationalen Raumstation zeigen vielversprechende Ergebnisse, wie Forscher der Universitäten Stanford und North Carolina at Charlotte berichten. Ihre noch unveröffentlichte Studie ist auf dem Preprint-Server bioRxiv einsehbar.

Konkret geht es dabei um sogenannte radiotrophe Pilze, die auf radioaktiven Strahlenquellen wachsen – und davon ähnlich profitieren wie Pflanzen von Licht. Sie nutzen dafür aber nicht Chlorophyll, sondern Melanin: Das Pigment, das auch in Haut und Haaren von Menschen vorkommt, dient den Pilzen zur Umwandlung von radioaktiver Strahlung in Energie, die sie wiederum für ihr Wachstum nutzen. Schon vor knapp zwei Jahrzehnten entdeckten Forscher melaninhaltige Pilze, die im berüchtigten Reaktorblock 4 in Tschernobyl gedeihen. Experimente zeigten, dass höhere Strahlendosen den Stoffwechsel dieser Pilzarten stark ankurbeln.

Schimmeliger Schutzschild

Um zu testen, ob sich diese Eigenschaft für die Raumfahrt nutzen ließe, nutzten die Forscher um Nils Averesch (Uni Stanford) den irdisch weit verbreiteten Schimmelpilz Cladosporium sphaerospermum. Auch dieser durch Melanin braun bis schwarz gefärbte Pilz gedeiht in der verstrahlten Zone von Tschernobyl prächtig – und auf der Internationalen Raumstation ISS ebenso: In Zusammenarbeit mit der US-Weltraumbehörde Nasa schickten die Wissenschafter ein Experiment mit Cladosporium sphaerospermum zur ISS. Dort konnte der Pilz unter kontrollierten Bedingungen über 30 Tage hinweg auf einer kleinen Oberfläche wachsen, während Belastung und Durchlässigkeit von ionisierender Strahlung gemessen wurden.

Das Ergebnis: Von einer 1,7 Millimeter dünnen Schimmelpilzschicht wurden rund zwei Prozent der Strahlung absorbiert. Das ist natürlich längst nicht ausreichend, um Raumfahrer zu schützen, die Daten wecken aber Hoffnungen, wie die Forscher berichten: Ihren Berechnungen zufolge könnte eine etwa 21 Zentimeter dicke Pilzschicht ausreichen, um den größten Teil der Strahlenbelastung abzuschirmen, der Menschen auf der Marsoberfläche ausgesetzt wären.

"C. sphaerospermum und Melanin könnten sich als unschätzbar wertvoll erweisen, um Pioniere bei künftigen Missionen zu Mond, Mars und darüber hinaus angemessen zu schützen", schreiben die Studienautoren. Weitere Untersuchungen sollen nun zeigen, wie sich ein solcher selbstwachsender Schutzschirm im All am besten umsetzen ließe – billig und pflegeleicht wäre er voraussichtlich. Dass Schimmelpilze der Gattung Cladosporium bei Menschen häufig Allergien auslösen, dürfte für die ersten Marskolonisten dann wohl eines der geringeren Problem werden. (David Rennert, 1.8.2020)