ORF-Chef Alexander Wrabetz und Kanzler und ÖVP-Chef Sebastian Kurz, hier vor einer TV-Konfrontation vor der Nationalratswahl 2019 im ORF-Zentrum auf dem Küniglberg. 2021 wird der nächste ORF-Chef bestellt.

Foto: apa. neubauer

Montag hat ORF-Chef Alexander Wrabetz ab 15 Uhr mit führenden Stiftungsräten begonnen, Pflöcke einzuschlagen für die künftige Führung des ORF. Ziemlich genau ein Jahr bevor die Stiftungsräte den nächsten ORF-General oder eine Generalin bestellen.

Dass dieser ORF-Chef auch nach 2021 Wrabetz heißt, lässt sich nicht ausschließen. Auch wenn er Sozialdemokrat ist und ÖVP-nahe Stiftungsräte die entscheidende Mehrheit haben, die ihnen noch 2016 fehlte, um ihn durch Richard Grasl zu ersetzen. Wrabetz hat seither viel getan im bürgerlichen Sinne.

Strategiekonzept

Wrabetz arbeitet ein Strategiekonzept für den ORF ab 2021 aus, am Montag präsentierte er Stiftungsräten Geleistetes und Themen: die Streamingplattform ORF-Player, die medienübergreifende Arbeit im gerade gebauten Newsroom, künftige Zielgruppen, die Finanzierung von Österreichs größtem Medienkonzern im Besitz einer öffentlich kontrollierten Stiftung. Und künftige Strukturen, im ORF meint das immer auch Direktionsbereiche. Wrabetz sprach zuletzt von einem "Rahmen für 2021". Ende 2020 soll der Stiftungsrat die Strategie bis 2024 beschließen und damit laut Wrabetz festlegen, wofür man sich 2021 bewerben kann.

Direktorenjobs

Zur Wahl steht gut ein Dutzend Führungsjobs. Bis zu vier Direktorenjobs etwa sieht das Gesetz vor, es könnten etwa auch drei werden, womöglich als eine Art Sparsignal.

Einige der für 2021 neben Wrabetz gehandelten Namen kämen (vorerst) auch für Direktorenjobs in der zweiten Ebene infrage. Seit 2016 fühlt sich die ÖVP praktisch nicht vertreten im Viererdirektorium.

Schrittweise wurden Hoffnungsträger aufgewertet, seit die ÖVP den Kanzler stellt: Roland Weißmann bekam zum Chefproducer und Vizefinanzdirektor die Führung des ORF-Players. Elisabeth Totzauer und Alexander Hofer wurden Channel-Manager von ORF 1 und ORF 2. Und ORF-3-Chef Peter Schöber positioniert sich regelmäßig für die nächste Führungs-Runde 2021.

Lange schon wird über Markus Breitenecker (ProSiebenSat1Puls4) und Rainer Nowak (Die Presse) als mögliche ORF-Kandidaten spekuliert, über Gerold Riedmann (Vorarlberger Nachrichten). Und auch über Richard Grasl, heute beim Kurier.

Martin Radjaby-Rasset hat auch bürgerliche Stiftungsräte schon Ende 2018 mit einem Vortrag über Digitalstrategie beeindruckt. Der frühere Ö3-Mann managte die Kommunikation der Grünen, die Agentur Jung von Matt, Alexander Van der Bellens Wahlkampf, seit 2017 die Markenstrategie der Erste Group.

ORF-Bau- und -Sicherheitschef Pius Strobl, früher Grünen-Manager, erklärte schon, er trete 2021 nur eines an: seine Pension.

Länderjobs, Länderstimmen

Zu bestellen sind 2021 auch die ORF-Landesdirektoren – jeder und jede davon ist auch für eine Stimme im ORF-Stiftungsrat gut. Denn: Für praktisch alle Landeshauptleute ist der regionale ORF die oder zumindest eine der wichtigsten medialen Bühnen.

2021, üblicherweise im September, werden die neun ORF-Landesdirektoren unter seltenen Umständen bestellt: Eine ÖVP-Mehrheit bestimmt auch über die Regionaldirektoren in Bundesländern mit roten Landeschefs– also nach aktuellem Stand in Wien, Burgenland und Kärnten.

Das Geschlechterverhältnis von derzeit sieben Männern zu zwei Frauen wirkt in Zeiten einer überwiegend weiblich besetzten Bundesregierung zudem auch nicht mehr ganz zeitgemäß.

Zumindest drei ORF-Landesdirektoren könnten im kommenden Jahr aus Altersgründen nachzubesetzen sein: Kurt Rammerstorfer (Oberösterreich) wird 2021 67, Norbert Gollinger (Niederösterreich) 65, und Brigitte Wolf (Wien) 64.

Die ORF-Länderkunde

In Niederösterreich könnte wie gewohnt der Chefredakteur nachrücken, der frühere Stiftungs- und Betriebsrat Robert Ziegler.

In Wien ließ Chefredakteur Paul Tesarek die langjährige Hoffnung fahren, er geht mit Jahresende in Pension, Nachfolge noch unbestimmt. Um die Wien-Wahl kümmert sich Tesarek noch. Als möglicher Nachfolger von Brigitte Wolf kursiert in der ORF-nahen Sozialdemokratie Edgar Weinzettl. Er kommt aus dem Landesstudio. Aber: Er ist derzeit Innenpolitikchef im ORF-Radio – ein Job, den Parteien ungern aufgeben, wenn andere den Ton im Stiftungsrat angeben. Andererseits wäre der Tausch womöglich ein Argument für eine bürgerliche Mehrheit für den Landesdirektor. Auch Kathrin Zechner, derzeit ORF-Programmdirektorin, wird auf dem Küniglberg als mögliche Kandidatin für die Wiener Landesdirektion gehandelt.

In Oberösterreich wiederum könnte Chef vom Dienst Klaus Obereder gute Chancen auf die Nachfolge von Rammerstorfer haben. Johannes Jetschgo, Chefredakteur im Landesstudio, ist wird im April 2021 65. Hans Bürger, Langzeitchef der Innenpolitik im ORF-Fernsehen ist auch Oberösterreicher.

Im Burgenland wurde Werner Herics, zuvor Manager für das ORF-Medienstandortprojekt, 2016 Landesdirektor. Im Juni 2021 wird er 56. Er ist einer der Landesdirektoren in einem rot regierten Bundesland, die eine bürgerliche Mehrheit im Stiftungsrat zur Wiederwahl benötigen.

In der Steiermark wurde der langjährige Chefredakteur Gerhard Koch erst im Frühjahr 2019 Landesdirektor – er wird intern häufig als Sozialdemokrat eingestuft, ist aber kein Parteimitglied, bei einem Landeshauptmann aus der ÖVP. Koch wird im Februar 2021 60. Variante 1: Koch hat das Vertrauen von Landeschef Hermann Schützenhöfer auch für eine weitere Bestellung. Variante 2: Der seit türkiser Kanzlerschaft schon für einige ORF-Jobs wie die Chefredaktion von ORF On gehandelte, gerade erst Koch nachgerückte Steiermark-Chefredakteur Wolfgang Schaller rückt, womöglich mit Handshake für Koch, auf.

In Salzburg ist der bürgerliche, frühere ORF-3-Chefredakteur Christoph Takacs seit 2017 Landesdirektor, kein ganz leichter Job nach dem recht radikalen Sparmeister Roland Brunhofer.

Zwei Jahre Abkühlfrist zwischen Stiftungsrat und Management

Nach der Bestellung der Direktoren und Landesdirektoren im September 2011 ergänzte der ORF-Stiftungsrat den "Corporate Governance Codex" für den ORF um Regeln für den Wechseln vom Aufsichtsorgan Stiftungsrat, das ORF-Generäle und -Direktoren bestellt, in Managementfunktionen.

Dort heißt es inzwischen unter Ziffer 36: "Wer zum Zeitpunkt der Bestellung des Generaldirektors Mitglied des Stiftungsrats war, darf sich innerhalb von zwei Jahren ab dem Tag des Bestellvorganges des Generaldirektors nicht für eine Funktion im ORF bewerben und darf auch nicht bestellt werden."

Das heißt: Sollte ein Mitglied des ORF-Stiftungsrats 2021 Direktor oder Landesdirektor werden wollen, muss er oder sie das Mandat im Stiftungsrat vor der Generalsbestellung im August 2021 zurücklegen. Im August 2011 stimmten noch die Stiftungsräte Michael Götzhaber (SPÖ, Betriebsrat) und Helmut Krieghofer (ÖVP, Tirol) für Alexander Wrabetz und wurden von diesem im September 2011 für die Technische ORF-Direktion beziehungsweise die Tiroler Landesdirektion vorgeschlagen und vom Stiftungsrat bestellt.

Für das Landesstudio in seinem Heimatbundesland Kärnten soll sich nun Technikdirektor Götzhaber sehr interessieren, vor allem, weil die ÖVP seit Jahr und Tag die rote ORF-Technikdirektion auflösen oder umorganisieren will. Aber: Landesdirektorin Karin Bernhard wird erst im November 2021 erst 60.

In Tirol wurde Robert Unterweger, Jahrgang 1967, erst im September 2018 Chefredakteur. Im Landesstudio rumort es seit seinem Amtsantritt vernehmlich – unklar ist vorerst, ob zu vernehmlich für eine Wiederbestellung im September 2021. Krieghofers potenzielle Nachfolgerin, Chefredakteurin Brigitte Gogl, verließ den ORF im Frühjahr 2018 nach einem manipulativ geschnittenen Beitrag über einen Wahlkampfauftritt von FPÖ-Spitzenkandidat Markus Abwerzger und dessen Verteidigung den ORF "aus privaten Gründen".

In Vorarlberg hat Markus Klement, seit 2012 Landesdirektor, zwar einige Auseinandersetzungen vor allem mit der Kultur in Land und Studio hinter sich. Der ab Juli 2021 46jährige hat aber schon eine Bestellung und eine Wiederbestellung zum Landesdirektor unter Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) hinter sich.

(Harald Fidler, 30.7.2020)