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Manche Kinder essen über eine lange Zeit hinweg ausschließlich weiße Nudeln. Eltern reagieren darauf am besten gelassen.

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Viele Eltern kennen das: Man kocht extra frisch und abwechslungsreich, doch kaum stellt man den Teller auf den Tisch, steht dem Fortplanz der Graus förmlich ins Gesicht geschrieben, und es folgt ein lautes: "Bäähhhhhh!" Da fällt es einem wirklich schwer, ruhig zu bleiben. "Keine Sorge, fast jedes Kind hat irgendwann einmal eine Phase, in der es fast unmöglich ist, das Richtige aufzutischen", sagt Ernährungsberaterin Doris Gartner. "Plötzlich mögen sie keinen Brokkoli – und morgen auch keine Tomatensauce mehr." Bezugspersonen erkennen schnell, das da nicht mehr viel übrigbleibt, außer Nudeln mit Butter und Salz oder leere Semmeln. Die Diätologin kann beruhigen: "Selbst wenn das beiliegende Gemüse über Wochen nicht gegessen wird, muss deswegen keine Mangelerscheinung auftreten."

Verbote sind kontraproduktiv

Isst das Kind zu lange einseitig, machen sich viele Eltern Sorgen, dass es zu wenig bekommt. Aus Angst vor einem Mangel oder Gewichtsproblemen schimpfen oder bestechen sie: "Wenn du jetzt nicht zumindest ein bisschen von dem Gemüse isst, gibt es hinterher keine Süßigkeit!" Gut ist das aber nicht, sagt eine aktuelle Studie der Universität Michigan. Es habe genau den gegenteiligen Effekt, wenn Eltern versuchen, das Essverhalten ihrer Kinder zu kontrollieren.

So konnten die Forscher herausfinden, dass jene Kinder, die sehr heikel bei der Essensauswahl sind, Mütter haben, die ungesundes Essen oder Süßigkeiten nur selten oder gar nicht erlaubten. "Jene Mütter versuchten das Essverhalten ihrer Kinder positiv zu beeinflussen, sie also zu einer gesünderen Ernährung zu motivieren, und es passierte genau das Gegenteil", sagt Verhaltenswissenschafterin und Kinderärztin Megan Pech, die an der Forschungsstudie beteiligt war. Für diese Studie beobachteten die Wissenschafter 317 Mütter und ihre Kinder aus Haushalten mit geringen Einkommen vier Jahre lang. Die Kinder waren dabei zwischen vier und neun Jahre alt.

Ernährungsberaterin Doris Gartner bestätigt die Forschungsergebnisse: "Irgendwann wollen sie fast alle nur noch klassische Kindergerichte wie Nudeln, Pommes, Pizza, Burger oder Würstchen essen." Wie lange diese Phase dauert, würde aber vor allem davon abhängen, wie das kindliche Umfeld damit umgeht bzw. wie viel Aufmerksamkeit man dem Thema schenkt.

Gartner warnt, dass Kinder bei Verboten sogar eine regelrechte Abwehr gegen neue Lebensmittel entwickeln könnten. Sie findet, dass Eltern oder Großeltern dem Kind die aktuellen Vorlieben für bestimmte Speisen einfach zugestehen sollten – ohne sich deswegen einen Mehraufwand anzutun: "Sie brauchen nicht extra für das Kind kochen, aber kochen Sie so, dass es abwechslungsreich ist und dennoch immer etwas dabei ist, das auch dem Kind schmeckt."

Entwarnung gibt es auch für jene Eltern, die befürchten, ihre Kinder könnten an Untergewicht leiden: Die im Fachjournal "Pediatrics" veröffentlichten Studie kommt zu dem Ergebnis, dass wählerische Kinder meist ein gesundes Körpergewicht aufweisen. Sie haben zudem eine geringere Chance, übergewichtig zu werden, als die gleichaltrigen "Allesesser".

Ab vier Jahren kaum mehr Einfluss

Außerdem machten die Forscher über den langen Zeitraum eine weitere interessante Beobachtung: Wenn bereits Kleinkinder beim Essen heikel waren, bleiben sie es meist auch im Schulalter. Das Essverhalten von Kinder ab vier Jahren war demnach kaum mehr zu beeinflussen.

Die beiden Schlüsselpunkte für Ernährungsgewohnheiten liegen laut Gartner schon im Babyalter: mit fünf bis sechs Monaten, dann, wenn die Beikost eingeführt wird, und mit etwa einem Jahr, wenn Kinder auf die Familienernährung umsteigen. "Zu diesen Zeitpunkten spielt der Zugang der Eltern zur Ernährung eine sehr wichtige Rolle. Je stressfreier Essen hier gestaltet wird, desto eher werden neue Geschmacksrichtungen und Lebensmittel toleriert." Die wichtigste Frage ist also: Bekommen Kleinkinder genug Zeit, um sich an neue Produkte zu gewöhnen, oder spielt ein gewisser Stress und Druck der Eltern (meist unbewusst) mit?

In jedem Fall sei es sinnvoll, dass Eltern einen vielfältigen Speiseplan vorleben, ohne das Kind jemals zum Probieren zu zwingen. Dies könnte, wie es auch die Studie zeigt, generell zu einer negativen emotionellen Verknüpfung in Bezug auf Essen führen. (Nadja Kupsa, 30.7.2020)