Millionen Amerikaner haben wegen der Corona-Krise ihre Jobs verloren und sind bei Lebensmitteln auf Hilfe angewiesen.

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Weil in Las Vegas kaum noch jemand dem Glücksspiel frönt, ist Lisa Thompson, bis März Assistentin der Geschäftsführung einer Kasinokette, seit vier Monaten ohne Arbeit. Sie lebt von den 600 Dollar, die ihr der Bund in Washington Woche für Woche zukommen lässt. Es reicht, um Lebensmittel zu kaufen, ein Auto zu unterhalten und die Miete für eine Wohnung zu bezahlen, die sie sich mit ihrem erwachsenen Sohn teilt. Auch der Sohn hat seinen Job in einem Kasino verloren.

Fiele jetzt noch der finanzielle Rettungsring weg, müsste die 56-Jährige von Ersparnissen leben, die eigentlich dazu gedacht waren, die karge staatliche Rente aufzustocken. Lisa Thompson, die in der Zeitung Las Vegas Review-Journal schilderte, was alles noch auf sie zukommen kann, ist das typische Gesicht einer Krise, bei der große Teile der amerikanischen Mittelklasse unter die Räder zu kommen drohen.

Der sprichwörtliche Schlag ins Kontor, für viele ist er bislang ausgeblieben. Seit Ende März überweist die Bundesregierung jedem Arbeitslosen 600 Dollar pro Woche, zusätzlich zu dem, was die einzelnen Bundesstaaten an eher bescheidenen Beträgen auszahlen. Die Regelung läuft am Freitag aus, und noch ist nicht abzusehen, wodurch sie ersetzt wird bzw. ob überhaupt. Im Kongress ringen die beiden großen Parteien um die Details eines neuen Hilfspakets.

Verlängerung gefordert

Ginge es nach den Demokraten, würde die zusätzliche Hilfe vorerst bis Jänner verlängert. "Die Leute brauchen die Stütze, sie können sich sonst nicht über Wasser halten", betont Nancy Pelosi, die Präsidentin des Abgeordnetenhauses. Wenn Konsumenten Geld ausgeben, sei dies eine überlebenswichtige Spritze für die Wirtschaft. Es habe deshalb auch ökonomischen Sinn, nicht zu geizen.

Den Republikanern geht das zu weit. Die Unterstützung falle so großzügig aus, dass es für Millionen Menschen keinen Anreiz mehr gebe, Arbeit zu suchen. "Es geht nicht an, dass es sich eher lohnt, zu Hause zu bleiben. Das ist nicht der Sinn von Arbeitslosenhilfe", sagt Mitch McConnell, im Senat die Nummer eins der Konservativen. Deren Fraktion hat erst kurz vor Ablauf der Frist, erst zu Beginn dieser Woche, eine Alternative zur Blaupause der Demokratischen Partei vorgestellt. Demnach sollen die Arbeitslosenzahlungen des Bundes auf wöchentlich 200 Dollar abgesenkt und im September abgeschafft werden. Danach soll der Pauschalbetrag durch einen Modus abgelöst werden, bei dem man maximal 70 Prozent des letzten Gehalts beziehen kann – für wie lange, bleibt offen.

Außerdem soll jedem Erwachsenen demnächst ein Scheck über 1200 Dollar zugeschickt werden, einmalig, möglichst nicht zu wiederholen. Ehepaare erhalten das Doppelte, pro Kind kommen 500 Dollar hinzu. Ihr Ziel, betonen maßgebliche Republikaner, sei es, das Wirtschaftsleben in einen Normalzustand zurückzuführen, in dem der Staat sein Handeln drastisch zurückfährt.

Sparen als falscher Ansatz

Der Ökonom Paul Krugman, für seine Forschungen mit dem Wirtschaftsnobelpreis ausgezeichnet, hält den Sparansatz für das falsche Rezept, da die Corona-Infektionen in Staaten wie Kalifornien, Texas und Florida auf neue Höchststände klettern. So katastrophal das Kabinett Donald Trumps insgesamt auf Covid-19 reagiert habe, schreibt er in einer Kolumne der New York Times, die Antwort auf die Wirtschaftskrise sei besser ausgefallen, als manche seiner Zunft es erwartet hätten. Die angemessen hohe staatliche Stütze bedeute, "dass wir viel weniger Elend erleben, als es andernfalls der Fall wäre, wenn 22 Millionen Arbeitsplätze verlorengehen". Zudem federe das Überbrückungsgeld einen volkswirtschaftlichen Absturz ab, weshalb es töricht wäre, darauf zu verzichten.

Am letzten Julitag endet zudem ein Moratorium, das Mieter vor Räumungen schützt, wenn sie in Zahlungsverzug geraten. Damit droht massenhafte Obdachlosigkeit. Nach Angaben des United States Census Bureau, einer Statistikbehörde, rechnen 35 Prozent der Amerikaner damit, dass sie ihre Miete nicht mehr aufbringen können, falls die wöchentlichen 600-Dollar-Schecks aus Washington ausbleiben. 15 Prozent fürchten, beim Abstottern ihres Hauskredits in Rückstand zu geraten, sodass bald eine Welle von Zwangsversteigerungen durchs Land rollen könnte. Nur etwa ein Drittel der Amerikaner wohnt zur Miete, während die meisten ihre Wohnung gekauft haben. (Frank Herrmann aus Washington, 30.7.2020)