Donald und Ivana Trump 1987 – hier beginnt Ilija Trojanow seine Erzählung.

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Ilija Trojanow (54) schreibt über akute Weltprobleme.

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"Wir leben im Sternzeichen der Leaks", heißt es in Ilija Trojanows neuem Roman besorgt über die Verfasstheit der Gegenwart: "kein klares Wasser, kein sichtbarer Grund. Nur undichte Stellen." Gleich mit zwei Leaks haben es die beiden Helden von Doppelte Spur denn auch zu tun. Über Wochen wälzen sie auf Laptops ohne Internetverbindung (zur eigenen Sicherheit!) streng vertrauliche, geheimdienstliche Akten. Zugespielt wurden ihnen diese von einer Whistleblowerin des FBI sowie einem russischen Agenten. Die zwei Journalisten sollen die Informationen zu einer heißen Story stricken und publizieren. Denn das Gesetz sei oft zahnlos, also soll der öffentliche Zorn als Richter einspringen. Es geht um Korruption, skrupellose Machteliten, Geldwäsche.

Trump, der "schiefe Turm"

Was nach einem irrwitzigen Wirtschafts- und Politkrimi klingt, setzt sich aber bis in die Details aus Bausteinen der realen Welt zusammen. Man kann alle vorkommenden Übeltäter googeln: vom auf seiner Yacht Mystère Tierhäute schmuggelnden Tamir Sapir bis zum zwielichtigen Politberater Paul Manafort. Einem schwirrt bald der Kopf. Im Zentrum steht aber Donald Trump. "Schiefer Turm" lautet der vielsagende Spitzname für den US-Präsidenten. Trojanow zeichnet verworren wie minutiös Seilschaften und Aktionen nach, die die Seiten der Wirtschafts- und Politberichterstattung ebenso füllen wie Klatschspalten. "Alles in diesem Roman ist wahr oder wahrscheinlich", schickt er dem Buch denn auch voraus. Das ist ein Reiz – und ein Dilemma.

Denn einerseits porträtiert Doppelte Spur das Problemfeld rund um Donald Trump hoch verdichtet und umfassend. Trojanows Erzählung reicht zurück bis in die späten 80er, als der sowjetische Geheimdienst KGB den eitlen und Eskapaden zugeneigten Immobilienmogul aus Manhattan mit der Ehefrau aus dem Ostblock als einfach manipulierbaren und erpressbaren Schlüssel zum Feind USA erkannte. Bis zu den jüngsten Russland-Ermittlungen lässt Trojanow keinen moralischen und finanziellen Ruin Trumps aus.

Waren die ersten 50 Seiten, auf denen Trojanows Helden (der eine heißt Boris, der andere zur Anlage des Romans passend wie der Autor selbst und er teilt zudem biografische Details mit ihm) diese Daten zugesteckt bekommen und einander kennenlernen, ein rasanter Ritt der Fantasie über drei Kontinente, findet man sich plötzlich in sehr realweltlichen Zusammenhängen wieder. Das ist bald eher gut gemeint als gut.

Atemnot im chronistischen Eifer

Seit Jahren ist Ilija Trojanow, wenn es in unserer Gesellschaft wo brennt, mit Romanen oder Streitschriften zur Stelle, um das Problem zu inspizieren: Angriff auf die Freiheit handelt von staatlicher Überwachung, Der überflüssige Mensch etwa von der neoliberalen Arbeitswelt. Hier geht aber der chronistische Eifer mit dem Autor durch. Mit Trump und üblen Oligarchen allein ist es für ihn noch nicht getan: Auch Jeffrey Epsteins "Pädophilen-Insel" und wie jener so lange Teil der guten Gesellschaft sein konnte, sorgt für Empörung. Anlass zur Sorge geben schließlich noch all die Fake-News in sozialen Medien und Diskurse zerstörende Klickfarmen.

Lauter spannende Themen! Doch kommt Trojanow an den realen Fakten hängend wenig über das Nachzeichnen des Bekannten hinaus. Das wird dröge. Mehr Luft hätte der Geschichte gutgetan. Die unterhaltsamen Helden hätten sie schon gefüllt. (Michael Wurmitzer, 30.7.2020)