Der Pflegesektor ist in der Coronavirus-Krise ein Brennglas. Vieles, was in Österreich passiert ist und immer noch passiert – die Gefahr für die Bevölkerung, die Einschränkungen im persönlichen Leben und die Sorge darüber, wie es weitergeht –, spielt sich dort in konzentrierter Form ab.

Etwa die Todeszahlen. Die stiegen in Österreich während der Krise an. In Alters- und Pflegeheimen auch, und zwar überproportional: Ein Drittel aller Covid-Todesfälle ist auf Infektionen in Heimen zurückzuführen.

Oder die Ausgangsbeschränkungen: Als die Bevölkerung daheimblieb, mussten viele Heimbewohnerinnen und -bewohner nicht nur im Haus, sondern sogar im Zimmer bleiben. Was die Reisebeschränkungen angeht, war es für die meisten Menschen zwar unangenehm, den Urlaub nicht planen zu können, für 24-Stunden-Betreuerinnen aus Rumänien hingegen brach von einem Tag auf den anderen die Lebensgrundlage weg, während andere Kolleginnen bis an den Rand der Erschöpfung arbeiten mussten.

Der Pflegesektor ist in der Coronavirus-Krise ein Brennglas.
Foto: imago/Ute Grabowsky

Es gibt einen weiteren Unterschied zwischen dem Pflegesektor und der übrigen Gesellschaft: Bei Letzterer hat mittlerweile eine Phase der gesunden Reflexion eingesetzt. Da werden Gesetze auf den Prüfstand gestellt und gegebenenfalls aufgehoben, da wird das Vorgehen der Exekutive hinterfragt und abgeändert, und da werden Test- und Vorwarnstrategien entwickelt, die für Planbarkeit sorgen sollen.

Engpass bei Schutzausrüstungen

In der Pflege ist das bisher wenig bis gar nicht der Fall. Schon wieder zeichnet sich ein Engpass bei Schutzausrüstungen ab, ohne eine Idee, wo man diese herbekommt, falls eine sogenannte zweite Welle über das Land kommen sollte. Noch immer weiß man nicht, wie man mit der Isolation von Heimbewohnerinnen und -bewohnern umgehen soll, wenn sie zwar gefährdet, aber nicht krank sind. Und dass tausende 24-Stunden-Betreuerinnen aus dem Osten bald wieder ausbleiben werden, ist angesichts neuer Einreisesperren recht absehbar.

In der Krise hätte es gerade im Pflegebereich schon längst schnelle und unbürokratische Lösungen geben müssen, doch bisher sind kaum Lerneffekte aus dem ersten Lockdown bemerkbar. Dass die lange angekündigte Pflegereform im Herbst endlich angegangen werden soll, reicht nicht aus – zu träge ist der Prozess, zu dynamisch die epidemiologische Entwicklung.

Doch noch ist die zweite Welle nicht im Anmarsch. Noch ist Zeit, ein neuerliches Chaos abzuwenden. (Gabriele Scherndl, 29.7.2020)