Farhad aus Afghanistan. Sahel aus Somalia. Daniel aus Wien. Abu aus Sierra Leone. Omid aus dem Iran. Joe aus Wien. Momo aus Syrien. Zubi aus Afghanistan. Bernhard aus Bayern. Jakob aus Wien. Ein paar Neue sind fast immer dabei. Also stellt sich jeder einmal vor.

Vorstellungsrunde im Mittelkreis. Viele Kicker und Helfer sind seit Jahren dabei, doch es kommen immer wieder ein paar Neue dazu.
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Moment! Bernhard aus Bayern? Ja, auch Bernhard aus Bayern spielt bei "Play Together Now" mit. Flüchtling ist er keiner, sondern ein Helfer wie etliche andere Deutsche auch und natürlich Österreicher, die in Wien arbeiten oder studieren. Wenn nicht gerade gekickt wird wie an diesem Freitagabend auf dem KSV-Platz in der Rustenschacherallee im Prater. Zu Beginn bilden die zwei Dutzend Hobbyfußballer in der Mitte des Platzes einen Kreis. Nach der Vorstellungsrunde wird gemeinsam aufgewärmt, dann werden zwei Teams gebildet, die eine Partie streift orange Shirts über, und schon geht’s los.

Aus dem Turnsaal

Play Together Now war eine Initiative von Vätern, die im Turnsaal der Hak Polgarstraße mit ihren Söhnen und Freunden wöchentlich Fußball spielten. Im Herbst 2015 wollten sie etwas tun, sich einsetzen, sich engagieren. Seither spielen bei den Vätern, Söhnen und Freunden auch Flüchtlinge mit, viele minder-, einige bereits volljährig. Joe Schramml, ein Psychotherapeut, war Gründer und ist jetzt Obmann des Vereins, ihm zur Seite stehen der Lehrer Daniel Kemper als sein Stellvertreter und der Soziologe Jakob Schott als Schriftführer. Und viele, viele andere.

Die drei von der Organisation: Daniel Kemper, Joe Schramml, Jakob Schott.
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Play Together Now hat sich in den fast fünf Jahren richtig ausgewachsen. Mittlerweile dreißig Ehrenamtliche sind regelmäßig, also jede Woche, im Einsatz. Im Fußball spielen zwei Teams (Reds United, Fun) in der Diözesan- oder DSG-Liga, zudem wurde 2018 ein Mädchen- und Frauenteam (Phoenix) gegründet, es mischt in der Kleinfeldliga mit. In Kooperation mit der Fußballschule Teco7 werden interessierte Jugendliche nebenbei zu Jugendcoaches ausgebildet.

"Alle reden deutsch"

Doch bei Play Together Now trifft man einander auch, um gemeinsam zu kochen, zu schwimmen und Theater zu spielen. Nicht wenige der jungen Flüchtlinge nützen das Angebot der psychotherapeutischen Begleitung, das es seit knapp drei Jahren gibt. Natürlich ist es ein Kommen und Gehen. Doch viele – Helfer wie Kicker – sind seit Jahren dabei. "Da entsteht eine starke Bindung", sagt Jakob, der Schriftführer. Und Joe, der Obmann, ist stolz darauf, dass von den kickenden Flüchtlingen "noch nie einer straffällig wurde". Daniel erklärt einige Grundregeln. "Wir wollen Spaß haben, niemand soll sich verletzen, und im Training reden alle deutsch."

In Joes Praxis finden die Vorstandssitzungen des Vereins statt, eigene Räumlichkeiten dafür gehen sich finanziell nicht aus. Play Together Now gibt für den Fußball (Platzmieten, Schiedsrichter, Transfers) circa 15.000 Euro und für alle Aktivitäten insgesamt 50.000 Euro jährlich aus. Ein Großteil des Budgets kommt durch Spenden sowie den Verkauf von T-Shirts etc. herein, Unterstützung kommt auch von der Stadt Wien, vom Bezirk Leopoldstadt und der Bank Austria.

Farhad kickte in der afghanischen U17 und fand in Wien "viele Freunde".
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Der Fußball bleibt

Farhad ist 22 und seit August 2015 in Wien. In Kabul war es für ihn "nicht mehr sicher", sein Vater war Beamter, die Taliban drohten, Farhad zu entführen. "Ich musste weg." In Österreich bekam er vor acht Monaten Asyl. Er hat einen Pflichtschulabschluss und hatte auch schon eine Lehrstelle als Bürokaufmann, die er Corona-bedingt verlor. "Jetzt such ich eine Arbeit oder eine Ausbildung." Derzeit bleibt ihm der Fußball. In Kabul gehörte Farhad zum Kader des U17-Nationalteams, klarerweise zählt er bei Play Together Now zu den besseren Spielern.

Der iranische Kurde Omid, auch kein schlechter Kicker, hat einerseits mehr, andererseits weniger Perspektive. 2009 begann seine Flucht, die ersten fünf Jahre lebte er im Irak. "2014 ist es wegen des IS sehr schwierig geworden", sagt der 29-Jährige in sehr gutem Deutsch. Seit Mai 2015 ist Omid in Wien, seit drei Jahren spielt er bei Play Together Now. Im Iran hatte er maturiert und Literatur studiert. In Wien studiert er nun Dolmetsch für Persisch und Kurdisch, damit ist er bald fertig, und zusätzlich seit 2018 Maschinenbau, "da brauch ich noch vier Jahre".

"Das ist Integration"

Omid, seit 2017 bei Play Together Now, hilft als Trainer beim Frauenteam mit.
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Omids Problem ist, dass er noch keinen positiven Asylbescheid, somit keine Arbeitsbewilligung hat. Bei Play Together Now gehört Omid dem Trainerstab des Frauenteams Phoenix an. "Ich darf mithelfen", sagt er. "Wir wollen zeigen, dass Flüchtlingsfrauen besonders stark sind." Mehr als 50 Mädchen und Frauen sind regelmäßig am Kicken, vor kurzem wurde das Projekt mit dem Integrationspreis ausgezeichnet. Für Omid hat Fußball enorme Bedeutung. "Manchmal kommen acht Nationen auf dem Feld zusammen. Das ist Integration. Beim Fußball können wir alle Probleme vergessen, wir lassen den Stress hinter uns, wir konzentrieren uns auf den Ball."

Abseits vom Feld hat jede und jeder natürlich Probleme. Aber fast alles lässt sich lösen, sagt Omid. "Wir sind eine große Familie. Und da gibt es immer einen, den man anrufen kann und der auch bereit ist, zu helfen." Besonders schwierig waren die vergangenen Monate. Vielen der schon durch die Flucht traumatisierten jungen Menschen setzte der Lockdown besonders zu. Via Whatsapp wurde ein Play-Together-Now-Radio eingerichtet, mit News und Tipps in vielen Sprachen. "Wir haben Geschichten erzählt", sagt Daniel, der Obmannstellvertreter, "wir haben Reime aufgesagt und Challenges initiiert, mit Klopapierrollen gegaberlt. Später waren wir gemeinsam wandern und Rad fahren."

Und genau darum geht es, sagt Farhad. Es geht nicht ums Gewinnen. "Ich habe hier Freunde gefunden." Freunde, die Sahel, Daniel, Abu, Joe, Omid, Zubi, Jakob, Momo und Bernhard heißen. (Fritz Neumann, 30.7.2020)