Die Ergebnisse der Studie sind für die Vorbereitung auf eine zweite Pandemie-Welle extrem wichtig.

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Etwa ein Fünftel der Covid-19-Patienten, die von Ende Februar bis Mitte April 2020 in deutschen Krankenhäusern aufgenommen wurden, sind verstorben – das zeigt eine aktuelle Analyse von mehr als 10.000 Fällen des wissenschaftlichen Instituts der Krankenkasse AOK, der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin und der Technischen Universität Berlin, die im Fachmagazin The Lancet Respiratory Medicine veröffentlicht wurde.

Ausgewertet wurden die Daten von etwa 10.000 Patienten mit bestätigter Covid-19-Diagnose, die in insgesamt 920 deutschen Krankenhäusern aufgenommen wurden. Die Studie liefert erstmals bevölkerungsrepräsentative Ergebnisse zur Behandlung der Covid-19-Patienten in Deutschland auf Basis der AOK-Abrechnungsdaten. Die Stichprobe der Versicherten entspricht circa einem Drittel der Gesamtbevölkerung und weist eine repräsentative Alters- und Geschlechtsstruktur auf.

Insgesamt verstarben 22 Prozent der stationär behandelten Covid-19-Patienten. Dabei lag die Sterblichkeit der Männer mit 25 Prozent um sechs Prozent über der der Frauen mit 19 Prozent. Unabhängig vom Geschlecht war die Mortalität bei den älteren Patienten sehr hoch: 27 Prozent verstarben in der Altersgruppe der 70- bis 79-Jährigen, 38 Prozent in der Gruppe der Menschen ab 80 Jahren.

Künstliche Beatmung

Etwas mehr als die Hälfte der Patienten, die künstlich beatmet werden mussten, verstarben (53 Prozent). Die höchsten Sterblichkeitsraten waren bei beatmeten Patienten in der Altersgruppe von 70 bis 79 Jahren (63 Prozent) sowie bei den Patienten ab 80 Jahren (72 Prozent) zu verzeichnen.

Auch bei den beatmeten Patienten, die während des Krankenhausaufenthalts wegen eines Nierenversagens zusätzlich dialysepflichtig waren – das waren 27 Prozent aller beatmeten Patienten –, lag die Sterblichkeit mit 73 Prozent sehr hoch. Frauen und Männer wiesen im Falle der Beatmung eine ähnliche Sterblichkeit auf.

Bei den Patienten ohne Beatmung war die Sterblichkeit zwar deutlich geringer, erreichte aber immerhin 16 Prozent. Auch hier korrelierte das Alter mit der Sterblichkeit. "Die hohen Sterblichkeitsraten machen deutlich, dass in den Kliniken relativ viele Patienten mit einem sehr schweren Krankheitsverlauf behandelt wurden. Diese schweren Verläufe betreffen eher ältere und gesundheitlich bereits beeinträchtigte Menschen, kommen aber auch bei jüngeren Patienten vor", sagt Jürgen Klauber, Geschäftsführer des wissenschaftlichen Instituts der AOK.

17 Prozent beatmet

In der Studie sind die Daten der Covid-19-Patienten mit und ohne Beatmung getrennt ausgewertet worden. Insgesamt wurden 17 Prozent der 10.021 stationär behandelten Covid-19-Patienten künstlich beatmet. Etwas mehr als drei Viertel der beatmeten Patienten erhielt eine invasive Beatmung. Das Durchschnittsalter der Patienten lag bei 68 Jahren – sowohl in der Gruppe der beatmeten als auch der der nicht beatmeten Patienten.

Der Anteil der beatmeten Patienten unterschied sich zwischen den Altersgruppen: Bei den 60- bis 69-Jährigen sowie bei den 70- bis 79-Jährigen lag er bei 24 beziehungsweise 25 Prozent, in der Gruppe der 18- bis 59-Jährigen jedoch nur bei 15 Prozent und bei den Patienten ab 80 Jahren bei zwölf Prozent.

"Der internationale Vergleich ist wegen unterschiedlichen Stichproben der Studien schwierig. Aber es gibt Hinweise darauf, dass in anderen Ländern tendenziell weniger hochaltrige Menschen mit Covid-19 beatmet wurden – vermutlich auch aus Kapazitätsgründen", sagt Christian Karagiannidis von der Lungenklinik Köln-Merheim. In Deutschland – und auch in Österreich – gab es hingegen immer ausreichend Kapazitäten.

Männer doppelt so häufig beatmet

Interessante Ergebnisse liefert auch ein Blick auf die Verteilung zwischen den Geschlechtern: Der Anteil der beatmeten Männer lag bei 22 Prozent und war damit fast doppelt so hoch wie bei den Frauen (zwölf Prozent), die Sterblichkeit lag hingegen auf einem vergleichbaren Niveau. "Aus den Abrechnungsdaten heraus lässt sich dieser deutliche Unterschied nicht erklären, hier besteht weiterer Forschungsbedarf", so Karagiannidis.

Stationär behandelte Covid-19-Patienten weisen häufig eine Reihe von Begleiterkrankungen auf. Der Anteil der Patienten mit Begleiterkrankungen liegt bei den Patienten mit Beatmung deutlich höher als bei den Patienten ohne Beatmung. So hatten beispielsweise 24 Prozent der Patienten ohne Beatmung Herzrhythmusstörungen; bei den Patienten mit Beatmung waren es 43 Prozent. Eine Diabetes-Erkrankung lag bei 26 Prozent der Patienten ohne Beatmung und bei 39 Prozent der Patienten mit Beatmung vor.

Länger als zehn Tage

Die durchschnittliche Dauer des Krankenhausaufenthalts der Covid-19-Patienten betrug 14 Tage. Bei den nicht beatmeten Patienten war sie mit zwölf Tagen deutlich kürzer als bei den Beatmungspatienten mit 25 Tagen. Die Dauer der künstlichen Beatmung lag im Durchschnitt bei 14 Tagen, im Median bei zehn Tagen. 23 Prozent der betroffenen Patienten mussten sogar länger als 21 Tage beatmet bleiben.

"Mit unserer Auswertung liegen hilfreiche Zahlen für Projektionen zur Nutzung von Krankenhaus- und Beatmungskapazitäten vor. So fallen pro 100 stationäre Patienten durchschnittlich 240 Beatmungstage an. Dies sind für die Vorbereitung auf eine zweite Pandemie-Welle wichtige Zahlen", so Reinhard Busse von der TU Berlin. Bezüglich der normalen Krankenhausbetten sei aber auch bei hohen Infektionszahlen überhaupt kein Problem zu erwarten, so der Experte. Das gilt auch für Österreich. (red, 30.7.2020)