Das Coronavirus verbreitet sich über Tröpfchen in der Luft. In der feinsten Form sind es Aerosole, die schweben und nicht gleich zu Boden sinken. Ihre Rolle beim Infektionsgeschehen in der Corona-Pandemie ist bislang wissenschaftlich nicht geklärt – Temperatur, Menschendichte, Aktivität, Umgebung und vor allem auch Klimaanlagen machen ihre Erforschung schwierig.

Lüftungs- und Klimaanlagen, die frische gegen alte Luft tauschen sowie geöffnete Fenster reduzieren das Infektionsrisiko in geschlossenen Räumen.
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Von Mensch zu Mensch

Sars-CoV-2 überträgt sich durch Tröpfchen, also beim Husten oder Niesen. Feinste Tröpfchen, die sogenannten Aerosole, entstehen schon beim Atmen oder Sprechen. Sie sind wenige Mikrometer groß, damit unsichtbar und so leicht, dass sie nicht sofort absinken, sondern in der Luft schweben. Viren sind noch einmal kleiner, können sich an Aerosole anhängen und sie so als Mitfahrgelegenheit nutzen. Überall, wo Menschen eng in Innenräumen zusammenkommen und miteinander sprechen, ist eine Übertragung begünstigt. Laut einer japanischen Studie ist es 18,7-mal wahrscheinlicher, sich in geschlossenen Räumen zu infizieren als im Freien. Je lauter Menschen sprechen, desto mehr Aerosole schweben in der Luft – vor allem, wenn wenig gelüftet wird. Dann bleiben Aerosole länger in der Raumluft und können sich nicht mit frischer Luft verdünnen und zerstreuen.

Umgebung

Viren mögen es kühl. In Wärme verdunsten auch die Aerosole als mögliche Partikelträger schneller und verlieren ihre Gefahr. Eine noch nicht begutachtete Studie aus Deutschland hat gezeigt, dass Übertragungen im Fleischbetrieb Tönnies, ausgehend von einem Mitarbeiter, über eine Distanz von acht Metern stattgefunden haben. Dies deshalb, weil die Luft nur zirkulierte, also nicht ausgetauscht wurde, Temperaturen um die zehn Grad herrschten, bei starker körperlicher Anstrengung gearbeitet sowie aufgrund von Maschinenlärm laut geschrien wurde. Bei Chorproben oder in Kirchen, bei lauter Musik oder im Fitnessstudio gibt es teilweise ähnlich gute Bedingungen für die Virusverbreitung.

Viruslast

Der auf Aerosole spezialisierte Mediziner Manfred Neuberger betont, dass für eine Ansteckung auch eine ausreichende Menge an Viren in der Luft vorhanden sein muss. Dies gilt etwa auch für Covid-19-Stationen, wo die Viruslast durch viele Infizierte in einem Raum schnell sehr hoch sein kann. Das war wohl am Anfang der Pandemie in Italien der Fall. Heute sind Spitäler sichere Orte. Eine Rolle spielen generell auch die Raumgröße und die Frage, wie gut sich das Virus darin verteilen kann.

Klimaanlagen

Frischluft und regelmäßiges Lüften sind entscheidend, besonders auch bei Klimaanlagen, die die Luft nur zirkulieren lassen. Von den meisten modernen Lüftungs- und Klimaanlagen in Bürogebäuden, Flugzeugen oder in Operationssälen in Spitälern geht keine Gefahr aus. Sie tauschen die Luft ständig aus und dürften gegen Aerosole im Raum wirken, sagt der Innenraumanalytiker Peter Tappler. Der Anteil der zu geführten Frischluft lässt sich einstellen.

Unentdeckt

Unberechenbar ist das Coronavirus insofern, als auch Infizierte, die keine Symptome haben oder sie erst zwei Tage nach der Infektion entwickeln, ansteckend sein können. So verbreiten diese Menschen ihre mit dem Virus behafteten Aerosole beim Sprechen oder Atmen in der Luft, ohne davon zu wissen. Abstand halten reduziert das Infektionsrisiko. Masken können die Zahl größerer Tröpfchen reduzieren, die in die Umgebung abgegeben werden und teilweise auch die Menge der Aerosole.

Datenlage

Die Studienlage zur Ansteckung über Aerosole ist nicht einheitlich, weil sie viele unterschiedliche Bereiche umfasst. Eine rezente Studie an der TU Berlin hat die Bedingungen der Virenausbreitung via Aerosole untersucht und gezeigt, wie sich die feinsten Tröpfchen in geschlossenen Räumen verteilen. Die Infektiosität war nicht Forschungsgegenstand. Eine Metaanalyse der Harvard Medical School kommt hingegen zum Ergebnis, dass in der Luft nachgewiesene Aerosole kein Beleg dafür sind, dass das Virus auch übertragen wird. Eine aerosolbasierte Ansteckung über größere Distanzen widerspreche dem allgemeinen Infektionsgeschehen, sagen die Forscher. Der Innenraumluftanalyst Peter Tappler betont, dass der Luftwechsel miteinberechnet werden muss. Eine chinesische Studie in einem Krankenhaus zeigte, dass moderne Lüftungssysteme sehr effektiv gegen die Infektionsgefahr über Aerosole sind. (Karin Pollack, Bernadette Redl, 1.8.2020)