Kann das Zufall sein? Der Gesundheitsminister darf – Corona-Krise hin oder her – nicht allein vor die Presse treten, um Rettendes zu künden, sondern muss warten, bis der Kanzler mit frugalem Ruhm bedeckt vom Brüsseler Schlachtfeld heimkehrt, obwohl im Interesse der Volksgesundheit angeblich Eile geboten schien. Nach Monaten bescheidener Zurücknahme der eigenen Person hat es Rudolf Anschober gewagt, den Bundeskanzler in Umfragen ein wenig zu überstrahlen, doch ein derartiges Sakrileg sollte nicht ins Kraut schießen. Die von Anfang an ein wenig konfuse, aber stets sorgfältig zelebrierte Seuchenpolitik der türkis-grünen Koalition verdichtete sich in einigen Verordnungen, die die Adressaten nicht erreichten, weil sie zuvor der Expertenmeinung sensiblerer Juristen zum Opfer fielen, als das Ministerium sie aufbieten konnte. Einer der Letzteren entschuldigte sich Monate nach Beginn der Krise mit der Formulierung, "wir waren auf diese Krise nicht vorbereitet".

Gesundheitsminister Rudolf Anschober und Bundeskanzler Sebastian Kurz.
Foto: APA/ROLAND SCHLAGER

Der Ressortverantwortliche entschloss sich daraufhin zu etwas, was bei einem österreichischen Minister als paradoxe Intervention gelten darf – er räumte Fehler mit Worten ein, die das Zeug haben, sich zu geflügelten zu entwickeln: "Das darf nicht passieren, das ist einfach schlechte Arbeit gewesen, Punkt." Wann hat sich jemals eine Ministerin, ein Minister, von Politikern in anderen Funktionen gar nicht zu reden, zu einer solchen öffentlichen Selbstgeißelung entschlossen?

Schlechte Arbeit

Hat der Bundeskanzler nach seinem Besuch im Kleinen Walsertal etwa getadelt, das dürfe nicht passieren? Die Verteidigungsministerin würde die originelle Ausübung ihrer Befehlsgewalt niemals als schlechte Arbeit definieren. Derartiges kommt in der Gedankenwelt der niederösterreichischen ÖVP einfach nicht vor, wie auch ein Sobotka weiß, für den es geradezu passieren muss, auf der Personalunion von Vorsitzendem und Objekt eines Untersuchungsausschusses zu beharren. Punkt. Und der Finanzminister ergibt sich eher der Demenz, als zuzugeben, seine Budgetvorlage sei einfach schlechte Arbeit gewesen.

Nein, der Bundeskanzler lässt sich gern herab, mit dem Gesundheitsminister dem Fernsehpublikum das Beste aus zwei Welten vorzugaukeln, aber mit Anschobers an Ehrlichkeit gemahnendem Masochismus will er nichts am Hut haben. Der hat ihn gleich für einen Tag so schwer krank gemacht, dass er nicht beim Nationalen Sicherheitsrat zum Thema Wirecard erscheinen konnte.

Bei seinem neuen Projekt baut Anschober schon vor, ehe es überhaupt die Rahmenbedingungen dafür gibt. Die Corona-Ampel werde kein Wunder-Modell sein, gesteht er, womit er jeder Kritik von vornherein die Spitze abbricht. Und an Wunder glaubt nach dem bisherigen Verlauf der Krisenbewältigung ohnehin niemand.

Kurz hat es natürlich schwerer als sein Gesundheitsminister, der entspannt Fehler eingestehen kann, weil er im politischen Leben kein Amt mehr anstrebt. Er hat noch ein paar Jahrzehnte als Kanzler vor sich, sollte sich in der SPÖ nicht einmal die Ansicht durchsetzen, dass das, was in ihr passiert, nicht passieren darf. Punkt. (Günter Traxler, 30.7.2020)