Kühle Nächte sind mittlerweile zu einem guten Kaufargument geworden. Gesucht werden Häuer mit Geschichte in der Natur – aber mit gewissen Annehmlichkeiten.

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Das Jagdschloss Wolfstein im Dunkelsteiner Wald hat Fridolin Angerer derzeit im Angebot.

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Marlies Muhr ist auf Käufersuche für eine Seeliegenschaft am Attersee.

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"Wir würden unsere Wiener Wohnung gern aufgeben und aufs Land ziehen." Solche Anrufe bekommt der auf Herrschaftssitze spezialisierte Makler Fridolin Angerer von Spiegelfeld Immobilien nicht erst seit Corona. "Aber Corona hat diese Entwicklung noch einmal angeschoben." Dank Homeoffice müssen viele jetzt nicht mehr jeden Tag ins Büro. Darum suchen auch junge Familien nach einem "repräsentativen Wohnsitz" auf dem Land.

Großer Grund, viel Natur

Ideale Objekte sind "alte Häuser mit Charme und Charakter", die maximal eineinhalb Stunden von Wien entfernt liegen, mit großem Grund und viel Natur. Erst unlängst, erzählt Angerer, sei bei einer Besichtigung ein Rehbock auf- und davongesprungen. Diese Nähe zur Natur mache die Sache reizvoll: "Wenn der Mensch nicht da ist, ergreifen die Tiere Besitz vom Garten." Noch etwas wünschen sich viele: Die Nachbarn, die einem in der Stadt in die Wohnung schauen, sind auf dem Land am besten weit weg.

Begehrte Lagen sind laut Angerer der Wienerwald, der Bezirk Wiener Neustadt, Neunkirchen, Reichenau und der Semmering bis Mürzzuschlag. Auch im Waldviertel würde vermehrt gesucht. Das Weinviertel sei vielen schon wieder zu warm. Denn die Verheißung kühler Nächte sei in den letzten Jahren ein Kaufargument geworden. Ein Jagdschloss im Dunkelsteinerwald, das Angerer derzeit im Angebot hat, stoße wegen eines dazugehörigen Parks mit alten Bäumen und einigen Grad Abkühlung im Vergleich zur Stadt auf reges Interesse.

Schnelles Internet ist wichtig

Komplette Abgeschiedenheit hört sich in der Theorie gut an. Angerer hat aber zumeist Liegenschaften im Angebot, die an den Kanal angeschlossen sind und zu denen die Müllabfuhr kommt. Fragen zur Schnelligkeit des Internets und dem Handyempfang würden bei Besichtigungen stets gestellt. Häuser mit eigener Quelle, die eine Unabhängigkeit von der Wasserversorgung bieten, seien dafür aber sehr begehrt, erklärt Angerer.

Ein Sonderfall sind rustikale, oft abgelegene Almhütten, die nur selten auf den Markt kommen – und dann um viel Geld den Besitzer wechseln. "Über den Preis für solche Liebhaberobjekte darf man nicht nachdenken", sagt die auf rare Objekte spezialisierte Maklerin Marlies Muhr. "Entweder man will eine solche Immobilie unbedingt, dann muss man den Preis berappen, oder man kriegt sie eben nicht."

Bei ihr melden sich immer wieder Interessenten, die nicht einmal Strom brauchen und autark leben möchten. Muhr merkt seit Corona auch eine gestiegene Nachfrage nach Bauernhöfen bzw. Häusern auf dem Land mit einem Garten, der Platz für Hendln und Gemüseanbau bietet. Durch das Prinzip Homeoffice würden auch entlegenere Gegenden in den Fokus rücken.

Wohnen am See ist teuer

Die stärkste Nachfrage verzeichnet Muhr aber aktuell an Seeimmobilien, die rar und daher sehr teuer sind: "Wir können nicht mehr so durch die Gegend fliegen, wie wir es getan haben, und wir wissen nicht, wie lange wir Heimaturlaub machen müssen." Daher seien nun Immobilien, die sich für den Urlaub daheim eignen, so begehrt. Bestseller seien der Attersee, der Mondsee und der Wolfgangsee, "aber wir spüren aktuell auch eine Tendenz für den Traunsee", so Muhr. Sie hat beispielsweise eine sehr hochpreisige Immobilie am Attersee im Angebot – inklusive Bootshaus mit zwei Bootsplätzen, Tennisplatz sowie mit einem Haupt- und einem Gästehaus. Den Preis gibt es auf Anfrage, es gebe bereits Interessenten.

Vom exklusiven Haus am See bis hin zur Almhütte: All das und noch viel mehr kann Luxus sein. Allerdings sind diese Wohnformen mit viel Arbeit verbunden: Schwimmbad putzen, Bäume schneiden und Unkraut jäten wird auf einem zwei Hektar großen Grundstück zur Herausforderung. Daher werde bei Deals oft gleich eine Liste an Dienstleistern überreicht, die sich bisher um all das gekümmert haben, erklärt der Makler Fridolin Angerer: "Das macht meistens das Personal." Und das ist eigentlich der wahre Luxus. (Franziska Zoidl, 4.8.2020)