Ex-Kanzler Gusenbauer ist im "Supervisory Board" eines Kreml-nahen Thinktanks, mit dem auch das Bundesheer kooperiert hat.

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Es sind wunderschöne Schlösser in der Steiermark, majestätische Villen in Münchner Vororten und prunkvolle Säle in der Wiener Innenstadt, in denen der russische Bär nach Einfluss jagt. Mehrere Vorfälle sorgen derzeit erneut dafür, dass Österreichs Nachbarländer sorgenvoll nach Österreich blicken – und sich einmal mehr fragen, wie sehr man dem hiesigen Verfassungsschutz und dem Bundesheer vertrauen kann. Da wären zum Beispiel die filmreifen Abenteuer des ehemaligen Wirecard-Finanzvorstands Jan Marsalek. Dieser soll intensiv mit russischen Kräften kooperiert haben, beispielsweise in Libyen und Syrien. Gleichzeitig verfügte Marsalek offenbar über Quellen im heimischen Innenministerium. Florian Stermann, Generalsekretär der Österreichisch-Russischen Freundschaftsgesellschaft, leitete dem damaligen Klubobmann Johann Gudenus ab 2017 regelmäßig "Infos von Jan" weiter – teilweise sogar Aktenzeichen des BVT, deren Inhalt sich die FPÖ "besorgen" sollte.

Besorgt hat sich Marsalek selbst offenbar geheime Dokumente zum Nervengift Nowitschok, das unter anderem bei einem Attentat auf den russischen Ex-Agenten Sergej Skripal verwendet wurde. Wie "Österreich" berichtete, sollen Marsaleks Dokumente aus heimischen Ministerien stammen. Infrage kämen das türkise Wirtschaftsministerium, das blaue Verteidigungsministerium sowie das Außenministerium, das damals von der FPÖ-nominierten Karin Kneissl geleitet wurde.

Kneissl sorgte einst selbst für diplomatische Querelen, weil sie den russischen Präsidenten Wladimir Putin im August 2018 zu ihrer Hochzeit in der Steiermark eingeladen hat – nicht einmal ein halbes Jahr nach dem mutmaßlich durch russische Agenten durchgeführten Attentat auf Skripal im britischen Salisbury, was zur erneuten Ächtung Russlands in der westlichen Staatengemeinschaft geführt hatte. Hat Kneissl Wahrnehmungen zur Affäre Marsalek? Nein, sagt die ehemalige Außenministerin zum STANDARD.

Thinktank mit Alfred Gusenbauer

Auch Mario Kunasek (FPÖ) kennt Marsalek nicht. In seinem Ex-Ressort dockte Marsalek mit seinen Plänen an, eine Miliz in Libyen aufzubauen. Ein Bundesheer-Angehöriger soll in das Projekt involviert gewesen sein. Aber auch ganz abseits von Marsalek steht das Verteidigungsministerium in der Kritik: Es kooperierte mehrfach mit dem Dialogue of Civilizations Research Institute (DOC), man hielt etwa gemeinsame Workshops ab. Gründer des Instituts ist der Oligarch Wladimir Jakunin, einst Präsident der russischen Eisenbahn. In Europa ist er vor allem für seine homophoben Ansichten bekannt.

Im "Spiegel" war DOC zuletzt als Teil der Kreml-Maschinerie für Beeinflussung der westlichen Politik dargestellt worden. Im Supervisory-Board sitzt Ex-Kanzler Alfred Gusenbauer (SPÖ), den Jakunin bei einem Vortrag als "alten Bekannten" anmoderierte. Auf Anfrage äußerte sich Gusenbauer nicht. Auch die Diplomatische Akademie hielt Veranstaltungen mit dem DOC ab. Ihr Präsident Emil Brix sagt, er würde das DOC als "eine von konservativen russischen Geldgebern unterstützte Soft-Power-Aktivität in Europa" einstufen. Meinungsvielfalt sei wichtig, daher auch der Austausch – ein Forschungsprojekt käme aber nicht infrage. (Fabian Schmid, 30.7.2020)