Starke solare Ausbrüche können auf der Erde für erhebliche Probleme sorgen.
Foto: Nasa

Wien/Graz – Ereignen sich auf unserem Zentralgestirn stärkere Sonneneruption, sogenannte Flares, oder koronale Massenauswürfe (CME), bei denen sich geladene Partikel mit großer Geschwindigkeit von der Oberfläche lösen, hat das auch auf der Erde mitunter spürbare Auswirkungen. Solche veritablen Sonnenstürme erzeugen nicht nur eindrucksvolle Polarlichter, sondern haben das Potenzial, Satellitensysteme erheblich zu stören und das Funktionieren von Stromnetzen zu beeinträchtigen. Darüber hinaus gehen von rauem Weltraumwetter auch Gefahren für die Raumfahrt aus.

Wettervorhersage für das All

Geschehen derartige Auswürfe, dann dauert es nur wenige Minuten, bis die Verwerfungen im Bereich der Erde ankommen. Daher gibt es seit einigen Jahrzehnten Bestrebungen, solche Ereignisse möglichst frühzeitig zu erkennen oder vorherzusagen. Die Basis dafür bilden durchgehende Beobachtungen der Sonnenoberfläche von der Erde aus und aus dem erdnahen All. Nun verspricht ein neuer Ansatz zur Vorhersage von Sonneneruptionen ein besseres Verständnis des unbeständigen Weltraumwetters. Japanische Wissenschafter stellten ihr sogenanntes "Kappa-Schema" im Fachmagazin "Science" vor. In einem Perspektivenartikel in dem Fachblatt attestiert die Grazer Sonnenphysikerin Astrid Veronig der auf physikalischen Annahmen basierenden Methode Potenzial.

Trotz eingehender Beobachtungen wisse man noch relativ wenig über die spezifischen Ausgangsbedingungen, die Flares auslösen, so Veronig. Das liegt vor allem daran, dass direkte Messungen der charakteristischen Veränderungen des Magnetfeldes in der Sonnenatmosphäre fehlen. Wissenschafter müssen die dortige Abläufe also mittels Berechnungen rekonstruieren.

Numerische Simulation einer Sonneneruption: Die grünen "Spaghetti" stellen Magnetfeldlinien dar, die durch magnetische Wiederverbindung instabil werden.
Illustr.: Kanya Kusano, Nagoya University

Bisher ungenaue Prognosen

Solche Modelle können demnach zwar dazu eingesetzt werden, das Verständnis der grundsätzlichen Abläufe rund um die wiederkehrenden Phänomenen zu verbessern, eine Vorhersage ist auf solch einer Basis jedoch schwierig. Die Genauigkeit von Prognosen ist bisher auch entsprechend niedrig, schreibt die Forscherin vom Institut für Physik der Universität Graz und dem Observatorium Kanzelhöhe in ihrem Artikel zu der Arbeit des Teams um Kanya Kusano von der Universität von Nagoya (Japan).

Der neue Ansatz der japanischen Wissenschafter basiert auf der Annahme, dass es ganz bestimmte Bedingungen für das Entstehen des Phänomens braucht. Dabei handelt es sich um eine Art magnetischen Doppelbogen, der sich von der Sonnenoberfläche wegbewegt, wenn das Magnetfeld instabil wird. Werden hier bestimmte Grenzwerte überschritten, führt das in weiterer Folge zu jenen abrupten Umwälzungen in der betroffenen Region der Sonnenoberfläche, die in Sonneneruptionen und sogar in koronalen Massenauswürfen münden. Die Herangehensweise von Kusano und Kollegen erlaubt nun, das Instabilwerden des Doppelbogens, den Ort des Ausbruchs und das Ausmaß an Energie, die von der Sonnenoberfläche ausgestoßen wird, abzuschätzen.

20 Stunden vor dem Ausbruch vorhergesagt

Dass das tatsächlich möglich ist, haben die Forscher anhand von Daten des von der Nasa betriebenen Solar Dynamics Observatory überprüft, das zwischen 2008 und 2019 Informationen über die Sonnenaktivität gesammelt hat. Es stellte sich heraus, dass mit dem "Kappa-Schema" die meisten großen Ausbrüche bis zu 20 Stunden vor ihrem tatsächlichen Beginn detektiert werden konnten. Beim Erkennen seltenerer Flares, die nicht mit Massenauswürfen einhergingen, tat sich die Methode hingegen schwer. (red, APA, 4.8.2020)