Der Open Arms verwehrte Matteo Salvini als Innenminister fast drei Wochen lang die Hafeneinfahrt.

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Im Senat ging es am Donnerstagabend um den "Fall Open Arms": Das Rettungsschiff der gleichnamigen spanischen Hilfsorganisation hatte am 1. August des vergangenen Jahres etwa 150 Flüchtlinge aus dem Mittelmeer gerettet. Der damalige Innenminister Matteo Salvini untersagte dem Schiff in der Folge fast drei Wochen lang das Anlegen in einem italienischen Hafen. Erst als ein sizilianischer Staatsanwalt das Boot beschlagnahmen ließ, konnte die Open Arms die völlig erschöpften Migranten endlich an Land bringen. Das Ministertribunal von Palermo wirft dem Chef der rechtspopulistischen Lega wegen seiner Blockadepolitik mehrfache Freiheitsberaubung und Amtsmissbrauch vor.

Salvini bezeichnete das Verfahren im Senat als "politischen Prozess" und nannte die Open Arms ein "Piratenschiff". "Ich würde das Gleiche wieder tun – und ich werde es auch wieder tun", betonte der 47-Jährige, der damit auch gleich bekräftigte, dass er die Hoffnung, dereinst wieder an die Macht zurückzukehren, keineswegs begraben hat.

Der damalige Innenminister und Vizepremier hatte im gleichen Zeitraum, als er die Open Arms vor der Insel Lampedusa blockierte, die damalige populistische Regierung aus seiner Lega und der Fünf-Sterne -Bewegung zu Fall gebracht. Er wollte vorgezogene Neuwahlen erwirken – und verspekulierte sich dabei schwer. Der vormalige starke Mann Italiens ist nun nur noch einfacher Senator; die "Grillini" regieren seither statt mit ihm lieber mit den Sozialdemokraten.

Drittes Verfahren

Das Verfahren um die Open Arms ist bereits das dritte, das im Zusammenhang mit Salvinis "Politik der geschlossenen Häfen" eröffnet worden ist. Bei den ersten Verfahren Anfang 2019 – es ging um das Küstenwacheschiff Diciotti – war der Lega-Chef im Senat noch von den Grillini gerettet worden: Die Protestbewegung, die noch Koalitionspartner Salvinis war, stimmte damals gegen die Aufhebung der Immunität des Innenministers.

Ein Jahr später beantragte das Ministertribunal von Catania erneut die Aufhebung der Immunität, diesmal im Zusammenhang mit dem Küstenwacheschiff Gregoretti. In diesem Fall stimmten auch die Grillini für die Aufhebung der Immunität – zusammen mit ihrem neuen, linken Regierungspartner.

Die Senatsentscheidung vom Donnerstagabend bedeutet, dass sich Salvini nun gleich zwei Prozessen wird stellen müssen – einem in Catania und einem in Palermo.

Verhör verschoben

Im Rahmen des Gregoretti-Verfahrens hätte am 4. Juli bereits ein erstes Verhör Salvinis durch den Untersuchungsrichter von Catania stattfinden sollen; wegen der Covid-19-Krise wurde der Termin auf den 3. Oktober verschoben. Juristisch und politisch gesehen sind die beiden Verfahren für Salvini zumindest potenziell gefährlich: Ihm drohen im Fall einer Verurteilung bis zu 15 Jahre Gefängnis; außerdem könnten ihm, wie einst Ex-Premier Silvio Berlusconi nach seiner Verurteilung, jegliche politische Aktivitäten verboten werden.

Doch die Mühlen der italienischen Justiz mahlen ungemein langsam: Bis zu einem definitiven, nicht mehr anfechtbaren Urteil werden Jahre vergehen – und bis zu diesem Zeitpunkt kann Salvini nicht mit einem Ämterverbot belegt werden.

Zumindest mittelfristig dürfte Salvini von den Prozessen sogar profitieren: Er kann sich den Wählern bereits bei den Regional- und Kommunalwahlen im Herbst als Märtyrer präsentieren.

Die Zunahme der Flüchtlingszahlen in Italien in den vergangenen Wochen und Monaten – bis Ende Juli haben sich die Ankünfte im Vergleich zum Vorjahr vervierfacht – dürfte ihm dabei ebenfalls in die Hände spielen. "Sie haben mir ein dickes Geschenk gemacht, die Lega wird nun wieder zehn Prozent Wähler dazu gewinnen", erklärte Salvini nach der erneuten Aufhebung seiner Immunität. (Dominik Straub aus Rom, 31.7.2020)