Nach 25 Jahren wurden die Schalter der Matttersburger Regionalbank für immer geschlossen. Das Institut ist pleite, die Bilanzen sollen schon vor 1995 frisiert worden sein.

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Wien – Turbulent geht es im Burgenland seit dem Zusammenkrachen des Kartenhauses Commerzialbank Mattersburg weiter. Am Samstag ist wie berichtet der burgenländische Wirtschafts- und Sportlandesrat Christian Illedits (SPÖ) zurückgetreten – er stolperte über 100 Gramm Gold. Einen Goldbarren dieses Gewichts hat er sich zu seinem 60er vor rund zwei Jahren (da war Illedits noch Erster Landtagspräsident) vom Fußballklub SC Mattersburg und Fußballakademie Burgenland schenken lassen. Er sei am Boden zerstört, so der jetzige Ex-Politiker, gebe das Geschenk zurück und ziehe mit seinem Abgang auch die politischen Konsequenzen. Strafrechtlich steht eine verbotene Vorteilsannahme im Raum. Strafbefreiende tätige Reue gibt es in Fällen von Amtsdelikten nicht.

Mit dem Riesenbilanzskandal der Commerzialbank, jeder Menge wirtschaftlicher, personeller und quasi sportlicher Verflechtungen und den darob von der ÖVP gestellten Rücktrittsforderungen habe sein Rückzug nicht zu tun, so Illedits.

Fäden kreuz und quer

Nur ein paar dieser Verquickungen: Illedits ist Aufsichtsratschef der Fußballakademie (45 Prozent gehören dem Land, 35 Prozent dem SV Mattersburg), sein Vize war bis vor kurzem Martin Pucher. Er war auch Bankchef und Präsident des SV Mattersburg. Dieser und die Commerzialbank zusammen haben die Fußballakademie zuletzt mit rund 1,5 Millionen Euro gesponsert. Illedits (bis 2019 Präsident des Burgenländischen Askö) ist auch Präsident des Fußballvereins seines Heimatorts, des ASV Draßburg. Hauptsponsor: die Commerzialbank, mit zuletzt 60.000 Euro im Jahr. Und: Als Wirtschaftslandesrat war Illedits auch für die Wirtschaftsgenossenschaften zuständig. Die Commerzialbank gehört mehrheitlich einer Kreditgenossenschaft.

Deren Revision hat das Land schon 1994/95 ausgelagert – an Wirtschaftsprüfer Gerhard Nidetzky – aus seiner Kanzlei wurde später die TPA. Seit 2007 revisioniert die TPA Wirtschaftsprüfung die Genossenschaft, sie prüft seit 2006 auch die Bilanzen der Commerzialbank (zuvor war es dem Vernehmen nach Nidetzky & Partner).

TPA hat nur eine einzige Bank geprüft

Andere Kreditinstitute prüft die TPA Wirtschaftsprüfung nicht, wie sich aus ihrem Transparenzbericht 2019 erschließt.

Das Jahr 1995 spielt in der Causa Commerzialbank eine ganz wesentliche Rolle – nicht nur, weil die Bank damals entstand. Pucher führte davor die Raiffeisenbank Schattendorf, als "Raiffeisen-Rebell" löste er sie aus dem Sektor, der Raiffeisenlandesbank Burgenland, heraus. Wobei man die Historie bei Raiffeisen anders liest, dort spricht man vom Ausschluss der Schattendorfer. Eine andere burgenländische Raiffeisenbank war damals in Schieflage geraten und musste vom Sektor gerettet werden, aber: Die Schattendorfer unter Pucher wollten nicht mitzahlen und wurden daher, je nach Lesart eben, ausgeschlossen oder zum Austritt bewogen. 1995 entstand so die Commerzbank, die 1997 nach dem Protest der deutschen Commerzbank zur Commerzialbank umfirmiert wurde.

Bilanzen seit Jahrzehnten falsch

Allerdings – und das könnte damals schon eine Rolle gespielt haben: Noch in Raiffeisen-Zeiten dürfte Pucher mit dem Bilanzfrisieren begonnen haben. Seine junge Bankmitarbeiterin K. soll er damals um erste Fälschungen von Saldenbestätigungen gebeten haben. Das erschließt sich aus Aussagen in der Causa, für die Pucher wie K. die Verantwortung übernehmen. Für beide gilt die Unschuldsvermutung. Bei Raiffeisen war dazu nichts in Erfahrung zu bringen.

Nach zwei, drei Jahren seien die gefakten Beträge dann so hoch geworden, dass klar war, dass Pucher die Löcher nicht mehr wie geplant würde schließen können. Ende der 90er-Jahre soll die Mitarbeiterin ihren Absprung geplant, aber Pucher sie zum Bleiben überredet haben – ab da wurden die Fälschungen zum Rund-um-die-Uhr-Job für K.

Laut Bankunterlagen nahm sie keinen Urlaub, jonglierte auch nächtens mit erfundenen Konten, Krediten und Einlagen. Die Banker hätten eine kleine Fälscherwerkstatt betrieben, sagen Leute, die die Sache jetzt aufklären. Das Ende vom Lied: rund 500 Fake-Konten und in Summe an die 600 erfundene Millionen Euro in der Bilanz. Allein rund 427 Millionen Euro an erfundenen Guthaben der Commerzialbank bei Großbanken und dazu mehr als 150 Millionen Euro "Kreditforderungen" gegenüber Privatkunden – allen voran Ärzte. Warum gerade die so beliebte Kreditkunden waren? Ihre Bonität ist gemeinhin gut, und ins Grundbuch konnte die Commerzialbank ja nicht gut gehen für Kredite, die es nicht gab.

Falsche Sponsoringverträge

So entstand eine Art künstliche Großbank in der Kleinbank: K. kümmerte sich um Kontoführung, Umbuchungen und Einbuchung von Erlagschein-Einzahlungen, für Barabhebungen war Pucher zuständig. Auch Sponsoringgelder für den SV Mattersburg wurden so aufgestellt, teils wurden vorhandene Verträge aufgefettet, teils kam das Geld von fiktiven Konten. Von den vier Millionen Euro Sponsoringeinnahmen, die der SV Mattersburg in seinem Jahresabschluss bei einem Gesamtbudget von 7,5 Millionen Euro ausweist, soll ein Großteil in der Bank entstanden sein.

All das fiel weder bei den Abschlussprüfungen noch bei den Vor-Ort-Prüfungen durch die Bankenaufseher auf, die 2015 auch Auffälligkeiten bei Vorstandskunden-Krediten in der Höhe von 50 Millionen Euro nachgingen, wie "Profil" berichtet. Das Nichtauffliegen soll die Banker selbst gewundert haben, wie es heißt. (Renate Graber, 2.8.2020)