Das Coronavirus ließ vielen Berufsgruppen keine Wahl mehr. Mitte März, als in Österreich der Shutdown begonnen hat, wurde Homeoffice über Nacht zum Zwang. Vor allem Großraumbüros vereinzeln sich teilweise bis heute in die eigenen vier Wände der Belegschaft. Bereits hier zeigen sich sozioökonomische Unterschiede: Die einen haben daheim Platz für ein eigenes Büro oder eine Terrasse mit Blick ins Grüne, bei anderen muss seit Monaten der Esstisch herhalten.

Videochats im Homeoffice

Aber auch der soziale Kontakt zu Kolleginnen und Kollegen findet seit Wochen vor allem über Videochats statt. Der Austausch auf dem Gang, beim Kaffee oder Mittagessen fällt weg. Vor allem für jene, die alleine leben, war das während des Shutdowns eine Herausforderung. Auch für das Gemeinschaftsgefühl eines Betriebs ist das nicht besonders förderlich. Aber in hoher Intensität auch nicht für einen selbst.

Martin Halla, Leiter der Abteilung Wirtschaftspolitik der JKU Linz, hat sich mit einem Experiment der chinesischen Onlinereisebüros trip.com aus den Jahren 2010/11 beschäftigt, bei dem Arbeitnehmer per Zufall für neun Monate ins Homeoffice geschickt wurden. Das Ergebnis: Die Arbeitnehmer waren produktiver. Mit dem Nachteil, dass viele nach dem Test zurück in die Firma wollten, weil ihnen der soziale Kontakt abging. "Es fehlt der Austausch", sagt Halla. "Jene im Homeoffice waren für Vorgesetzte und Kollegen auch weniger sichtbar, was dazu führte, dass sie bei Beförderungen weniger zum Zug kamen."

Die Gewerkschaft fordert eine verpflichtende Betriebsvereinbarung für Homeoffice. Die Heimarbeit müsse freiwillig bleiben.
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Arbeitnehmer wollen tageweise daheim arbeiten

Mit Sorge blickt die Gewerkschaft in Richtung Herbst. Da dürften die Corona-Zahlen wieder stärker steigen, wenn sich das Leben wieder nach drinnen verlagert. Dadurch könnten auch wieder mehr Menschen im Homeoffice arbeiten müssen. Die Krise offenbarte in ihrer Vehemenz, dass gerade dieser Bereich noch zum Wilden Westen der Arbeitswelt gehört. "Aktuell gibt es im Arbeitnehmerschutzgesetz Homeoffice gar nicht", sagt die Chefin der Gewerkschaft der Privatangestellten, Barbara Teiber. "Es gibt hunderte Regeln für den Arbeitsplatz, aber keine Regel dafür, wie dieser daheim auszusehen hat. Das muss man angehen und das darf nicht nur der Arbeitgeber diktieren."

Laut dem Arbeitsklimaindex der Arbeiterkammer arbeiteten in Österreich seit dem Corona-Ausbruch eine Zeitlang 40 Prozent der Arbeitnehmer zumindest zum Teil von daheim aus. Homeoffice dürfte unabhängig von der Corona-Krise auch künftig eine größere Rolle spielen.

Einerseits zeigt eine Umfrage von karriere.at, dass Arbeitnehmer durchaus die Wahl haben wollen, tageweise zu Hause zu arbeiten. Arbeitgeber stehen dem laut Umfrage auch offen gegenüber. Andererseits glaubt etwa Sidney Roach vom US-Kommunikationsunternehmen Edelman, dass dieser Wandel Konzernen entgegenkommen könnte, um Mietausgaben einzusparen und die Corona-Verluste abzudämpfen.

Verpflichtende Betriebsvereinbarung

Die Gewerkschaft fordert daher eine verpflichtende Betriebsvereinbarung für Homeoffice. Die Heimarbeit müsse freiwillig bleiben, sagt Teiber. Es dürfte nicht mehr wie zu Beginn der Krise vorkommen, dass die Belegschaft ohne Vereinbarung heimgeschickt wird oder die Situation dazu führt, dass Arbeitsplätze im Büro eingespart werden. "Das ist noch kein Massenphänomen, aber wir müssen schauen, dass Homeoffice nicht zum Bumerang wird", sagt Teiber. "Jeder hat das Recht auf einen Arbeitsplatz." Es sei daher auch zu überlegen, in welchem Ausmaß Homeoffice überhaupt sinnvoll ist. Laut Rückmeldungen an die Gewerkschaft könnten sich Arbeitnehmer vorstellen, ein bis zwei Tage pro Woche Homeoffice zu machen.

Dafür brauche es klare Regelungen und Unterstützungen, sagt Teiber. Der Versicherungsschutz müsse fix auf Homeoffice ausgedehnt werden. Derzeit gilt dieser Corona-bedingt nur bis Ende des Jahres. Arbeitnehmer müssten sich aber auch an den Anschaffungen beteiligen, die Arbeitnehmer für die Heimarbeit brauchen. Vermutlich sitzen gerade einige daheim auf keinem besonders ergonomischen Stuhl.

Sollte die Kinderbetreuung bei höheren Corona-Zahlen im Herbst nicht gegeben sein, fordert die Gewerkschafterin Barbara Teiber eine Ausdehnung des Sonderurlaubs oder Freistellungen.
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"Vor allem die Mütter schaffen das nicht noch einmal"

Speziell in der Corona-Krise hatte die Heimarbeit auch eine stark geschlechterspezifische Komponente. Als Schulen und Kindergärten zwischenzeitlich geschlossen waren, fiel die Betreuungsarbeit vor allem Müttern zu. Das zeigt eine Studie von Katharina Mader, Ökonomin an der Wirtschaftsuniversität Wien. "Die Studie hat auch gezeigt, dass Männer eher in einem abgeschlossenen Raum arbeiten konnten und Freizeit hatten, während die Kinderbetreuung im Wohnzimmer stattfand und Mütter auf dem Esstisch gearbeitet haben."

Mader und Teiber sind sich darin einig, dass vor allem die Kinderbetreuung im Herbst geregelt werden muss. Es brauche ein Konzept der Regierung, das nicht automatisch zu Schul- und Kindergartenschließungen führe. Homeschooling, Kinderbetreuung und Arbeit sei für Eltern während des Shutdowns eine Belastung gewesen. "Vor allem die Mütter schaffen das nicht noch einmal", sagt Teiber. Wenn es nicht anders gehe, braucht es laut Gewerkschaft eine Ausdehnung des Sonderurlaubs oder Freistellungen. (Jan Michael Marchart, 3.8.2020)