Gesundheitsminister Anschober bei einer PK – in Begleitung des Babyelefanten – zu den wichtigsten Verhaltensregeln gegen die Verbreitung im Gesundheitsministerium in Wien.

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Der Umgang des österreichischen Gesetzgebers mit der Coronavirus-Pandemie ist dringend verbesserungswürdig. Erst kippte der Verfassungsgerichtshof das für öffentliche Orte geltende Betretungsverbot, das zu Unfrieden zwischen Bürgern und Polizei sowie zu tausenden Geldstrafen geführt hatte.

Dann fehlte den Höchstrichtern eine ausreichende Begründung für das Wiedereröffnen von Geschäften mit weniger als 400 Quadratmeter Fläche, während größere Handelsorte geschlossen bleiben mussten. Auch diese Regelung wurde außer Kraft gesetzt.

Disput um die neue Maskenpflicht

Und jetzt entspinnt sich ein ähnlicher Disput um die neue Maskenpflicht. Ist es sachlich richtig, den Mund-Nasen-Schutz nur bei der Post, in Banken und Lebensmittelgeschäften vorzuschreiben? Oder ist das von Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) als Begründung vorgebrachte Argument falsch, dass jeder in den Supermarkt, aber nicht in die Modeboutique muss? Ein Rechtsexperte widerspricht dem anderen, die Opposition ortet Wiederholungsinkompetenz – und Maskengegner reiben sich die Hände.

Warum schafft es die Bundesregierung nicht, rechtlich haltbare Maßnahmen gegen die Coronavirus-Verbreitung zu setzen? Ein Grundproblem sind fachliche Mängel. Rechtsexperten erzählen von Anrufen verzweifelter Gesundheitsministeriumsjuristen, die für Verordnungsentwürfe verfassungsrechtlichen Rat suchen. In ihrem Ressort stehen sie offenbar allein auf weiter Flur.

Postenstreichungen und Umbesetzungen

Hier schlägt die Parteizuordnung des Gesundheitsressorts in der vergangenen Legislaturperiode negativ zu Buche. Ministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) nutzte das Ministerium vor allem, um für die Blauen Meter zu machen. Sie agierte mit Postenstreichungen und Umbesetzungen und dünnte auf diese Art unter anderem die juristische Abteilung aus. An eine Jahrhundertherausforderung wie die Corona-Pandemie dachte niemand. Das rächt sich jetzt.

In die Vergangenheit – und zwar gleich etliche Jahrzehnte zurück – führt ein weiterer Erklärungsstrang für das wiederholte Stolpern von Türkis-Grün über die Corona-Regelungen: Das Epidemiegesetz ist rettungslos überaltert. Aus dem Jahr 1950 stammend, ist es schwerfällig und verursacht hohen Verwaltungsaufwand.

Auswirkungen auf die Folgeregelungen

Das wirkt sich auch auf Folgeregelungen wie das Covid-19-Gesetz und die Verordnungen aus: Da sie sich direkt auf das Epidemiegesetz beziehen, sind sie nicht besser als dieses selbst.

Laut dem Verfassungsrechtsexperten Bernd-Christian Funk ist allein schon die vom Gesetz eingeräumte Frist von 24 Stunden, um der Gesundheitsbehörde einen Erkrankungsfall anzuzeigen, völlig ungeeignet. Tatsächlich kann sich der Erreger von Covid-19 in der heutigen, globalisierten Welt binnen eines Tages problemlos von Land zu Land verbreiten.

Hinzu kommt, dass moderne Normen wie etwa der Datenschutz im Epidemiegesetz naturgemäß nicht vorkamen, bis sie im Rahmen der heuer unter extremem Zeitdruck durchgeführten Novelle beigefügt wurden. Das ist zu wenig. Um aus dem Teufelskreis unzureichender und schlecht gemachter Corona-Regelungen herauszukommen, braucht es eine gesetzgeberische Generalüberholung, wie Gesundheitsminister Anschober sowie Kanzleramtsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) richtig erkannt haben.

Das Problem dabei: Der Handlungsdruck durch die Seuche dürfte in den kommenden Monaten nicht schwächer werden. (Irene Brickner, 2.8.2020)