Kleinparteien wie die Wahlallianz Links sind derzeit in der Bundeshauptstadt auf der Suche nach Unterstützern. Weitaus schwieriger dürfte im Herbst der Einzug ins Rathaus werden.

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Auf wildfremde Menschen zugehen und sie um Unterschriften bitten. Das ist an sich schon keine leichte Aufgabe, inmitten einer Pandemie ist es geradezu paradox: Man muss persönliche Nähe suchen und doch physischen Abstand wahren.

Kleinparteien wie Links haben allerdings keine andere Wahl, wenn sie im Oktober überall in Wien zur Wahl stehen wollen – sie müssen rund 3.000 Menschen für eine Unterstützungserklärung aufs Bezirksamt lotsen und deren Formulare dann entgegennehmen, um sie wiederum beim Magistrat einreichen zu können.

Dass es selbst in Corona-Zeiten nicht auf digitalem Weg geht, ist politisch durchaus so gewollt. Die rot-grünen Regierungsparteien plus FPÖ stimmten im Gemeinderat gegen einen entsprechenden Neos-Antrag, der eine Vereinfachung vorsah. Die Demokratieforscherin Tamara Ehs bezeichnet die Beibehaltung der Regelung trotz epidemischer Ausnahmesituation in einem Blog-Beitrag als "Corona-Sperrklausel" und ortet eine faktische Einschränkung des passiven Wahlrechts.

Zähe Verhandlungen

Für die vorwiegend jungen Aktivisten des neuen linken Wahlbündnisses bietet die Sammelaktion immerhin die Möglichkeit, die Standorte der Wiener Bürokratie sowie die eigenen Mitstreiter besser kennenzulernen. Die vielfachen Sammelaktionen hätten sich bisher bezahlt gemacht, freut sich Links-Gründer Can Gülcü knapp zwei Wochen vor Fristende: "Auf Bezirksebene sind wir fast überall fertig, auch auf der Gemeindeebene schaut es gut aus."

Dabei sollen die Verhandlungen im Vorfeld der linken Kooperation überaus zäh gewesen sein. Während es der traditionsreichen KPÖ um eine lose Allianz ging, die nur auf die Wahl zugeschnitten sein sollte, strebten die Links-Initiatoren die Etablierung einer neuen Parteistruktur über den Herbst hinaus an. Letztlich kam eine auf die Wahl fokussierte Einigung zustande.

Die Kommunisten konnten zwar mit der Plattform Wien anders bei den letzten Wahlen im Jahr 2015 nur ein Prozent der Wähler mobilisieren und sind seit einem halben Jahrhundert nicht mehr im Stadtparlament vertreten, doch sind sie immerhin in fünf Bezirksvertretungen lokal verankert.

Name und Kredit

Die KPÖ konnte sich nun ausbedingen, dass in diesen Bezirken die kombinierte Bezeichnung "Links-KPÖ" auf dem Stimmzettel stehen wird und die KPÖ dort auch automatisch den Spitzenkandidaten stellt. In Rudolfsheim-Fünfhaus ist das der Wiener KPÖ-Chef Didi Zach, der dem STANDARD mitteilt, dass seine Partei dem neuen Bündnis für den Wahlkampf 90.000 Euro zur Verfügung stellt. Allerdings nur als Kredit, weil "die KPÖ schon lange keine reiche Partei mehr ist". Das Geld soll später aus den Mitteln der öffentlichen Parteienfinanzierung wieder zur KPÖ zurückfließen.

Allen Beteiligten dürfte klar gewesen sein, dass ein zersplittertes Antreten am linken Rand einen Einzug ins Rathaus von vornherein unmöglich gemacht hätte. Wiewohl auch die Chancen als Bündnis nicht allzu groß sind, weil die Hürde in Wien mit fünf Prozent ziemlich hoch liegt. Auch Didi Zach erkennt, dass der "wahlpolitische Spielraum für ein linkes Projekt nicht allzu berauschend" ist. Gleichwohl gibt es aktuell einige Faktoren, die das Ergebnis einer Linkspartei zu begünstigen scheinen.

Raum für Überläufer

Die grüne Beteiligung an einer Koalition mit der ÖVP auf Bundesebene könnte so manch urbanen Grünwähler nach links schielen lassen, zumal die Regierung einen restriktiven Migrationskurs fährt. Und Bürgermeister Michael Ludwig wird keineswegs dem linken Lager in der Wiener Sozialdemokratie zugeordnet. Von beiden Parteien konnte Links bereits Überläufer verbuchen. So hat sich der jahrzehntelange grüne Margaretener Bezirkspolitiker Peter Dvorsky jüngst von seiner Partei wegen deren vermeintlicher "Anbiederung an Kurz" verabschiedet; Dvorsky wird nun ebenso auf der linken Liste stehen wie der vormalige Rote Christoph Baumgärtel, der mit der SPÖ Langenzersdorf für so manche Entgleisung auf Facebook gesorgt und sich darob mit seinen Genossen zerstritten hat.

Mieten und Wahlrecht

Programmatisch versucht das Linksbündnis naturgemäß, sich als antikapitalistische Alternative zur rot-grünen Regierung darzustellen und dieser eine investorenfreundliche Politik vorzuwerfen. Die Stadt mache in der Wohnungspolitik gemeinsame Sache mit großen Immobilienfirmen, anstatt für leistbare Mieten zu sorgen, kritisiert Aktivist Can Gülcü.

Can Gülcü (links im Bild) hat die Donnerstagsdemos gegen Türkis-Blau mitorganisiert und kandidiert auf dem dritten Listenplatz von Links.
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Einen wichtigen Schwerpunkt werde auch die Forderung nach einer Ausweitung der Wahlberechtigten bilden. Derzeit ist das Wahlrecht auf Wiener Landesebene ja an den Besitz der österreichischen Staatsbürgerschaft geknüpft, für die Bezirksvertretungen dürfen hingegen auch jetzt schon EU-Bürger mitstimmen. Die Proponenten von Links finden: Jeder, der in Wien lebt, solle hier auch seine Stimme abgeben dürfen.

Wandel nicht dabei

All das sind Ziele, die auch beim Wandel auf Zustimmung stoßen. Die weit links stehende Kleinpartei bekam bei der letzten Nationalratswahl ein halbes Prozent der Stimmen. Schon vor Beginn des eigentlichen Wien-Wahlkampfes hat der Wandel zuletzt für viel Furore gesorgt, denn er hat der Wahlbehörde den Hinweis auf die dubiose Wohnsituation von Heinz-Christian Strache geliefert, die seit zwei Wochen heiß diskutiert wird.

Zu einer Einigung mit Links über eine gemeinsame Kandidatur kam es allerdings trotz mehrerer Gespräche nicht (siehe Infobox unten). In einem Bezirk dürfte es im Herbst also zum Duell am linken Flügel kommen. (Theo Anders, 4.8.2020)