Es gehört zur holzschnittartigen Lebensweisheit Donald Trumps, Feindbilder zu schaffen und diese tunlichst zu pflegen – denn diese kann er, anders als Verbündete, in den Staub treten, wenn er triumphiert; und an ihnen kann er sich abputzen, wenn etwas misslingt. Spaltung und Feindschaft war schon im ersten Wahlkampf des späteren US-Präsidenten ein probates Mittel, um seine johlende Anhängerschaft bei Laune zu halten. Damals waren es die Mexikaner, vor denen er sich mit einer Mauer schützen wollte, und seine Herausforderin Hillary Clinton, die er ins Gefängnis werfen wollte. Die Mauer steht noch immer nicht, und Clinton genießt noch immer ihre Freiheit zu tun, was sie will.

Trump will den chinesischen Betreiber des Social-Media-Dienstes Tiktok zerschlagen.
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Nun ist wieder Wahlkampf, und Trump schießt sich auf neue Gegner ein: Statt mit präsidialer Autorität die Einheit der Nation zu beschwören, hetzt er der Black-Lives-Matter-Bewegung die schwerbewaffnete Bundespolizei auf den Hals. Von seinem eklatanten Versagen in der Corona-Pandemie lenkt er ab, indem er mit dem Finger nach Wuhan zeigt.

Und dass er jetzt den chinesischen Betreiber des Social-Media-Dienstes Tiktok zerschlagen will – natürlich durch den amerikanischen IT-Riesen Microsoft –, passt auch wunderbar ins Konzept. Viele Patrioten werden noch nicht einmal gewusst haben, wer hinter dieser App steckt, mit der ihre Kids stundenlang herumspielen. Welch leichte Beute, wenn man ihnen mit der "chinesischen Gefahr" Angst machen kann. (Gianluca Wallisch, 3.8.2020)