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Superstar Beyoncé entdeckt die Freuden des einfachen Lebens.

Foto: AP/Disney+

Reden wir übers Geschäft. Der König der Löwen ist seit einem Vierteljahrhundert ein durch Trickfilme, ein Broadway-Musical sowie der von Hans Zimmer und Elton John komponierten Musik abgesichertes Branding. Walt Disney als Herr der Urheberrechte liebt die Geschichte rund um den Löwen Simba auch deshalb so, weil sie ein Franchise möglich machte, mit dem sich über Generationen Abermillionen scheffeln lassen.

Ethnokitsch mit politischer Botschaft

Zuletzt kam im Vorjahr der Löwenstoff dank einer Neuverfilmung und eines dazugehörigen Albums der im Film mitwirkenden Beyoncé zu Bling-Bling-Adel in der Popwelt. Das Album nannte sich The Lion King: The Gift. Darauf vermischte die amtierende Königin des Pop den "afrikanischen" Ethnokitsch des ursprünglich von weißen alten Männern produzierten Soundtracks mit afroamerikanischer Superstar-Musik.

Ehemann Jay-Z fand ebenso Zeit wie etwa Kendrick Lamar, Pharrell Williams oder Rapper und Star-Wars-Schauspieler Childish Gambino alias Donald Glover. Endlich auch wurden afrikanische Musiker und Künstler wie Burna Boy, Tekno oder Mr Eazi beschäftigt.

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Beyoncé blieb in der Folge weiter dran an diesem Erlöserstoff, möglicherweise auch wegen eines diffus erkannten oder erkannt diffusen "politischen" Potenzials, das in dieser "afrikanischen" Coming-of-Age-Saga steckt. Das Resultat liegt nun als Black Is King vor, exklusiv auf dem Streaming-Bezahlkanal Disney+.

Das von alten weißen Männern regierte Disney-Imperium, das politisch gesehen immer ein klein wenig – aber das familienfreundlich! – auf der dunklen Seite der Macht angesiedelt war, erkannte das Potenzial des eineinhalbstündigen Musikfilms Black Is King auch. Erweiterung der Käuferschicht mittels schwarzer Helden und so. Beyoncé und ihr tatsächlich transatlantisches afroamerikanisches Produktionsteam haben den König der Löwen zum Realfilm umgebaut.

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Der bricht sich als Video-Clip-Oper zwischen gutem altem Bibelfilm, dem afrikanischen Königreich Wakanda aus dem Marvel-Blockbuster Black Panther sowie einer bis in die letzte Kostümfalte perfekt durchchoreografierten Inszenierung für einen Werbefilm des südafrikanischen Tourismusverbandes synchrontanzend seine Bahn.

Man muss da jetzt sehr vorsichtig sein. Zwar kann man Beyoncé einen gewissen Hang zum Größenwahn in Black Is King nicht absprechen. Wenn sie sich als Königinmutter ganz Afrikas und irgendwie auch als Heilige Jungfrau der Yoruba inszenieren lässt, denkt man schon ein wenig, dass der Frau irgendwann in der Luxusvilla die Sicherungen durchgebrannt sein dürften.

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Allerdings muss man dieser Ausstattungs- und Kitschorgie zwischen Luxushütte in L.A. und afrikanischem Musterdorf, zwischen Haute Couture und Tribal Chic angesichts von #BlackLivesMatter und der Rassismusdebatte eine politische Bedeutung zugestehen, die im Pop selten geworden ist.

Es geht um schwarzes Selbstbewusstsein und Selbstermächtigung. Beyoncé tiriliert: Befreit euch von den Fesseln der Unterdrückung! Black Is King sagt: Jeder Mann ist ein König, jede Frau eine Königin! Man muss dafür aber kämpfen: "You can’t wear a crown with your head down." Black Is King ist ein vollkommen überladener, aber wichtiger Film. In dem kommen übrigens auch zwei, drei Weiße vor. Sie sind Hausdiener der schwarzen Herrschaft. Ja, Pop ist platt. (Christian Schachinger, 4.8.2020)