"Gott sei Dank hab ich nur noch zwei Tage", tönt es durch das Stiegenhaus eines Gebäudes in Wien-Meidling. Bei dem offenbar erleichterten Mann und seiner Frau endet dann die behördlich angeordnete Quarantäne, in der sie sich seit fast zwei Wochen befinden.

Das Paar wurde positiv auf Covid-19 getestet. An diesem Vormittag steht ein Mensch, der von oben bis unten in einem weißen Schutzanzug verpackt ist, vor ihrer Tür und kontrolliert, ob die beiden auch tatsächlich daheim geblieben sind. Begleitet wird der Kontrolleur von einem weit weniger auffälligen Kollegen. Er trägt eine rote Weste. Auf seiner Brust prangen das Wiener Wappen und der Schriftzug "Sofortmaßnahmen". "Ich bin nicht ganz vorne dabei, halte mindestens zwei Meter Abstand. Daher brauche ich keinen Schutzanzug", sagt Martin Heindl. Eine FFP2-Maske verdeckt Mund und Nase und eine Schutzbrille seine Augen.

Schon bei der Haustüre kündigen sich die beiden Kontrolleure der Stadt Wien an.
Foto: Christian Fischer

"Das ist jetzt das erste Mal, dass jemand vorbeikommt", berichtet der Mann, der aus der Wohnung herauslugt. Er ist freundlich, wirkt fast, als ob er sich über den Besuch freuen würde. Er und seine Partnerin tragen beim Öffnen der Wohnungstüre Einwegmasken aus dem Supermarkt. Zumeist würden diejenigen, die überprüft werden, selbst daran denken, sagt Heindl. Sollten sie es einmal vergessen, werden sie von den Mitarbeitern der Stadt darauf hingewiesen. "Haben Sie irgendwelche Symptome?", fragt Heindl noch schnell. Nein, alles gut, antwortet der Kontrollierte.

Kurze Kontrolle

"Wir bräuchten bitte einen Ausweis mit Foto darauf", sagt Gerald Csefan, der Mann im Schutzanzug, dessen Kleidung man eher in einem Atomkraftwerk als in einem Wohnhaus vermuten würde. Die zwei Isolierten zücken ihre Identitätsnachweise, und nach wenigen Minuten ist die Kontrolle schon wieder vorbei. Heindl vermerkt auf einem Zettel, dass sie angetroffen wurden.

Unterschiedliche Looks: Während Martin Heindl nicht an vorderster Front dabei ist, muss Gerald Csefan im Schutzanzug zu den Infizierten.
Foto: Christian Fischer

"Zum Großteil haben die Leute den Ernst der Lage verstanden", erzählt Csefan. Viele würden darauf warten, dass ihre Quarantäne überprüft wird. Rund 20 dieser Stichproben-Kontrollen führen die Mitarbeiter der Gruppe Sofortmaßnahmen und des Stadtservice pro Tag durch.

Lediglich zwei Personen wurden bei den Kontrollen bisher nicht in ihrer Wohnung angetroffen. Was dann passiert? "Wir melden das", sagt Heindl. Ein Strafverfahren wird eingeleitet. Mit einem Pönale von bis zu 1500 Euro muss man rechnen, wenn man die Absonderungsaufforderung ignoriert.

Das Anziehen der Schutzkleidung geht schnell. Das Ausziehen erfolgt nach einem strengen Protokoll.
Foto: Christian Fischer

Nach dem Verlassen des Gebäudes geschieht alles streng nach Protokoll. Trotz der Schutzhandschuhe werden erst einmal die Hände desinfiziert, die Einweghandschuhe kommen in einen schwarzen Müllsack, den Csefan bereits vorab im Kofferraum des roten Stadt-Wien-Autos platziert hat. Er legt die Schutzbrille ab, danach muss ihm Heindl beim Abstreifen des Anzugs helfen. Ganz zum Schluss wandert der Mundschutz in den Müllsack, und die Hände werden erneut desinfiziert. Das An- und Ausziehen ist ein Zwei-Mann-Job. Angst vor einer Ansteckung hat Csefan nicht.

Nachdem der Müllsack luftdicht verschlossen wurde, fahren Csefan und Heindl mit ihm zurück in die Zentrale in der Wiener Innenstadt. Dort wird die Schutzkleidung gesammelt und entsorgt.

Suche nach Kontakten

Vor Ausbruch der Coronavirus-Krise war die Gruppe Sofortmaßnahmen beispielsweise nach der Gasexplosion in einem Wohnhaus in Wien-Wieden im Einsatz, neben der Koordination vor Ort waren sie auch für die Umsiedlung der wohnungslos gewordenen Anrainer in Ersatzquartiere verantwortlich. Aber auch die Intervention bei Lärmbelästigung oder Müllproblemen gehört zu den Aufgaben der Gruppe. Gemeinsam mit dem Wiener Stadtservice unterstützt die Einsatzgruppe nun den Gesundheitsdienst (MA 15) beim Corona-Krisen-Management.

In dem Amtshaus im ersten Bezirk sind derzeit etwa 20 Mitarbeiter für die Absonderung von Corona-Positiven und die Erhebung derer Kontakte zuständig. Im Fall der Fälle könne man aber schnell auf 50 Personen aufstocken, das Personal sei da und geschult, sagt ein Sprecher der Sofortmaßnahmen.

Viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Wien-Telefons, bei dem eigentlich Schadensmeldungen eingehen, übernehmen jetzt die Kontaktverfolgung der Corona-Patienten.
Foto: Christian Fischer

Im fünften Stock hängen an den Wänden der Büros und auf großen Flipcharts Papierbögen, auf denen ein Datum steht. Darunter sind duzende Namen gelistet. Es sind jene Wiener, die an dem jeweiligen Tag positiv getestet wurden. Neben den Namen steht ein Kürzel, das darauf hindeutet, welcher der Mitarbeiter im Telefondienst den Fall behandelt.

Die meisten seien auskunftsfreudig, wenn es um ihre Kontakte geht, erzählt eine Telefonistin. In ein eigenes Computerprogramm trägt sie die Daten der Person am anderen Ende der Leitung ein und mit wem diese in den vergangenen 14 Tagen Kontakt hatte.

Viele der Mitarbeiter, die sich um die Kontakterhebung kümmern, waren davor im Wiener Stadtservice tätig, das etwa das Wien-Telefon betreut und Störmeldungen entgegennimmt – zum Beispiel, wenn eine Laterne ausfällt.

Vermuten die Mitarbeiter einen Cluster – eine Häufung von Fällen –, wird das vermerkt und der MA 15 gemeldet. Neben zwei Namen auf einem Plakat findet sich in lilafarbener Schrift der Hinweis "Studentenheim".

Die relevanten Kontakte von Personen, die auf das Coronavirus positiv getestet wurden, werden ebenfalls verständigt.
Foto: Christian Fischer

"Wir sind in Wien sehr gut dabei", sagt der Sprecher der Sofortmaßnahmen. Alle Personen, die von der MA 15 als positiv gemeldet werden, würden noch am selben Tag angerufen. Auch ihre Kontakte werden informiert. Pro Fall könnten da schnell einmal 15 Telefonate anfallen, sagt die Telefonistin. Fünf bis zehn Minuten dauert ein Gespräch. Insgesamt sei die Geselligkeit der Wiener jedoch sehr unterschiedlich. "Es gibt Menschen, die hatten einen Kontakt, und manche, die hatten 40", sagt der Sprecher.

Um auch herauszufinden, wo sich ein Infizierter angesteckt hat und an wen er das Virus weitergegeben haben könnte, müssen eine Reihe von Fragen beantwortet werden. Explizit nachgefragt wurde in den vergangenen Wochen etwa, ob die Infizierten bei den Black-Lives-Matter-Protesten dabei waren. Allerdings ließ sich keiner der positiven Fälle mit einer Demoteilnahme in Verbindung bringen, heißt es. Die Fragen verändern sich. Seit dem Aufpoppen der Freikirchen-Cluster in Oberösterreich wird jeder Betroffene auch nach Kirchen- oder Moscheen-Besuchen befragt.

Zwei Kategorien

Die Kontaktpersonen werden in zwei Kategorien geteilt. Jene, bei denen die Ansteckung wahrscheinlich ist, und jene, bei denen eine Übertragung sehr unwahrscheinlich ist. Dabei gilt die Regel: Wer sich länger als 15 Minuten in einem Abstand von weniger als zwei Metern unterhalten hat, ist gefährdet und wird abgesondert. Das kann dann länger dauern: "X plus neun Tage", sagt Heindl. X ist in diesem Fall der letzte Kontakt, den man mit der positiv getesteten Person hatte. (Oona Kroisleitner, 4.8.2020)