(Noch-)U-Ausschuss-Vorsitzender Wolfgang Sobotka (ÖVP) trifft Milliardär René Benko künftig nicht nur bei Raiffeisen-Partys, sondern auch im Ibiza-Untersuchungsausschuss.

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Im Herbst steht der Innenpolitik eine der wichtigsten Wahlen bevor: Am 11. Oktober entscheiden mehr als eine Million Wienerinnen und Wiener, ob die SPÖ eine ihrer letzten Bastionen hält – und, vielleicht, ob Heinz-Christian Strache ein politisches Comeback schafft. Schon jetzt beschäftigt der Gedanke an die Wien-Wahl die politischen Köpfe dieser Republik intensiv. Spürbar wird das auch im Ibiza-Untersuchungsausschuss.

Dort sollte eigentlich schon längst eine Ladungsliste für den Herbst beschlossen worden sein. Doch die Gespräche zwischen den einzelnen Fraktionen gestalten sich zäh und wurden am Dienstag noch einmal auf Donnerstag vertagt. Das Nominierungsrecht liegt prinzipiell bei SPÖ und Neos, die den U-Ausschuss einst einberufen hatten. Doch auch andere Fraktionen dürfen Ladungen vorschlagen, vorgesehen sind dann Beratungen bis zur Einigkeit. Ablehnen darf eine Mehrheit einen Ladungsvorschlag nur dann, wenn sie keinen Zusammenhang zum Untersuchungsgegenstand sieht. Dann kann die Gegenseite den Verfassungsgerichtshof (VfgH) anrufen.

Stefan Pierer und René Benko

So weit ist die Situation im U-Ausschuss allerdings noch nicht eskaliert. Es geht in den Diskussionen weniger um die Frage, wer geladen wird, als, wann wer geladen wird.

Besonders heißbegehrt sind vier Termine kurz vor der Wahl: Der U-Ausschuss soll am 29. und am 30. September sowie am 7. und 8. Oktober Auskunftspersonen befragen.

SPÖ und Neos wollen hier das Grundthema "Superreiche und die Politik" ansetzen. Ende September will sie den Kurz-Berater und Immobilien-Milliardär René Benko darüber befragen, wie rund um Weihnachten 2017 der Kauf des Leiner-Möbelhauses in der Mariahilfer Straße vonstattenging. Damals ließ die türkis-blaue Bundesregierung sogar ein Bezirksgericht aufsperren, um den Deal grundbuchrechtlich zu sichern.

Ebenfalls von der SPÖ für Ende September vorgesehen: der Milliardär Stefan Pierer, der als KTM-Chef schon lange für den Zwölf-Stunden-Tag trommelte – und diesen Wunsch von Türkis-Blau erfüllt bekam.

Am 7. Oktober sollen dann Korruptionsvorwürfe im Gesundheitsbereich untersucht werden, hier geht es vor allem um die Aufstockung des Privatklinikenfonds Prikraf und Straches Beziehung zu einem Klinikbetreiber. Einen Tag darauf – und somit drei Tage vor der Wien-Wahl – zielt die Opposition dann ins direkte Umfeld von Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP). Da soll zuerst sein Kabinettschef Bernhard Bonelli geladen werden, danach jener Mitarbeiter, der unter falschem Namen Festplatten schreddern ließ.

Der ÖVP schmeckt das dem Vernehmen nach gar nicht. Sie will vielmehr untersuchen, warum Mitglieder einer freien Wiener SPÖ-Sektion in die Ermittlungen rund um die Hintermänner des Ibiza-Videos geraten sind. Außerdem steht eine Ladung für den einstigen Kulturminister, SPÖ-Bundesgeschäftsführer und jetzigen Nationalratsabgeordneten Thomas Drozda aus.

Gericht gibt Horten und Graf recht

Auch den roten Ex-Casinos-Vorstand Dietmar Hoscher will die ÖVP rund um die Wien-Wahl im U-Ausschuss sehen. Hoscher hatte genauso wie Novomatic-Gründer Johann Graf, Kaufhaus-Erbin Heidi Horten und Waffenproduzent Gaston Glock aus gesundheitlichen Gründen abgesagt.

Einzig Glocks Absage wird von den Abgeordneten akzeptiert, auch mit Blick auf die Ladung von dessen Ehefrau Kathrin Glock, Aufsichtsrätin in der Austro Control. Bei Horten, Hoscher und Graf wird hingegen eine weitergehende Prüfung verlangt.

Im Fall von Horten und Graf stellte die Parlamentsdirektion einen Antrag auf Verhängung einer Beugestrafe an das Bundesverwaltungsgericht (BVwG). Dieser wurde jedoch am Dienstag in beiden Fällen abgewiesen. Das Gericht sieht die ärztlichen Atteste der beiden Milliardäre als ausreichende Begründung für ihr Fernbleiben an. Der U-Ausschuss teile diese Einschätzung offenbar nicht, habe aber kein Gegengutachten in die Wege geleitet, heißt es in der Urteilsbegründung.

Ein solches will Neos-Fraktionsführerin Stephanie Krisper nun offenbar nachliefern. Erst mit einem amtsärztlichen Gutachten könne seriös beurteilt werden, ob Befragungen von Horten und Graf möglich sind, sagte sie nach der BVwG-Entscheidung und kündigte an diese einzuholen. Ob die beiden nun fernbleiben dürfen oder nicht bleibt also weiterhin offen. Wenn ja, würden jedenfalls zwei andere Ladungen möglich. Zu Dietmar Hoscher ist bis Stand Freitag letzte Woche kein Antrag auf Beugestrafe beim BVwG eingelangt, sagt ein Sprecher.

Eine dritte Hürde ist nach wie vor die Person des Vorsitzenden. Die Oppositionsparteien wollen Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) am 9. September, dem Herbst-Beginn des U-Ausschusses, befragen. Sie sind der Ansicht, dass sich Sobotka wegen dieser Befragung als Vorsitzender zurückziehen müsse. Auch der Verfahrensrichter Wolfgang Pöschl ist dieser Denkweise zugeneigt.

Sobotka erklärte sich selbst mehrfach für unbefangen, trotz seiner Ladung. Dem ehemaligen Innenminister werden enge Verbindungen zur Novomatic vorgeworfen, unter anderem wegen Kooperationen mit dem von ihm gegründeten Alois-Mock-Institut. (fsc, 4.8.2020)