Am Landesgericht Innsbruck streiten die frühere reichste Frau Russlands und ihr Bruder um eine Abfindung aus der gemeinsamen Unternehmenszeit. Es geht um rund 250 Millionen Euro.

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Innsbruck – Es geht um rund 250 Millionen Euro, die von der Echtheit einer Unterschrift abhängen. Derartige Summen stehen am Landesgericht Innsbruck eher selten auf der Tagesordnung, ein Verfahren gibt es nun aber schon. Und das mit prominenter Beteiligung. Elena Baturina, die bis vor kurzem reichste Frau Russlands und Witwe des umstrittenen Moskauer Ex-Bürgermeisters Juri Luschkow, streitet mit ihrem Bruder Viktor Baturin um eine Abfindung aus ihrer gemeinsamen Unternehmenszeit. Das zeigen Dokumente, die dem STANDARD vorliegen. Die beiden gründeten Anfang der 1990er-Jahre zusammen die Firma Inteco, die sich zu einem Industrie- und Immobilienkonzern entwickelte.

Warum Innsbruck? Die 57-Jährige ist bekannt für ihr Faible für Österreich und war hier auch unternehmerisch aktiv, trennte sich aber vor zwei Jahren von ihrem Fünf-Sterne-Luxushotel Grand Tirolia. Forbes schätzt ihr Vermögen auf 1,1 Milliarden Euro. Da sie nach wie vor einen Zweitwohnsitz in Tirol hat, konnte sich Viktor Baturin mit der Klage an das Gericht in Innsbruck wenden. Auch das Unternehmen firmiert in Österreich.

Ursprünglich produzierte Inteco Plastikwaren wie Einweggeschirr und Möbel. Nach und nach expandierte man in die Bau- und Immobilienbranche, wo sich Baturin und Baturina ein Zementimperium aufbauten. Moskau galt damals als Lokomotive der russischen Wirtschaft, der Bedarf nach Zement für Bauprojekte war endlos.

Langjähriger Streit

Der Geschwisterzwist reicht bereits mehr als zehn Jahre zurück. Persönliche Differenzen und unterschiedliche Zukunftsvorstellungen hätten einen Keil zwischen die beiden getrieben, heißt es. Gestritten wird seither über einen Vergleich und einen Anhang zu dem Papier, das die beiden 2008 unterzeichneten. Von einem freundschaftlichen Abkommen ist in den Unterlagen die Rede, das die Angelegenheit hätte regeln sollen. Tat es aber nicht. Denn Bruder und Schwester verfügen über zwei unterschiedliche Versionen dieses Anhangs.

Elena Baturina war mit dem ehemaligen Moskauer Bürgermeister Juri Luschkow verheiratet und ist aktuell die zweitreichste Frau Russlands.
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In Elena Baturinas Dokument verzichtet ihr Bruder auf eine Abfindung, die 25 Prozent der Unternehmensanteile entspricht. Das wären die genannten rund 250 Millionen Euro. Laut Viktor Baturins Version tut er das nicht. Ihm zufolge soll seine Unterschrift auf Elenas Anhang gefälscht worden sein. "Warum sollte ich ihr meinen Teil schenken, das würde niemand machen", sagt er dem STANDARD. Elena Baturina ließ über ihren offiziellen Sprecher ausrichten, dass russisches Recht Anwendung finde und das Verfahren eingestellt werden müsse. Nähere Auskünfte werde sie nicht geben. Sie verweist allerdings darauf, dass ihr Bruder mit diesem Versuch vor russischen Gerichten schon mehrmals gescheitert sei.

Das österreichische Gericht bejahte jedoch seine Zuständigkeit und betraute einen Gerichtsgutachter damit, die Unterschriften zu untersuchen. Viktor Baturins Signatur hat er bereits analysiert. Anfang September wird es das nächste Mal spannend, dann gibt Baturina in Wien eine Unterschriftenprobe ab. Anhand dieser wird das Abkommen noch einmal wissenschaftlich untersucht. Das Ergebnis soll Aufschluss darüber geben, unter welchem Anhang eine gefälschte Unterschrift steht.

Politischer Rückenwind

Viele Kritiker sehen Baturinas wirtschaftlichen Erfolg durch politischen Rückenwind vom Moskauer Ex-Bürgermeister Luschkow initiiert. Baturina hat allerdings erfolgreich jeden verklagt, der solche Behauptungen aufstellte. Unbestreitbar ist, dass der Großteil des Geschäfts in Moskau passiert. Luschkow verstarb voriges Jahr im Alter von 83 Jahren. Ihm wird von Kritikern nachgesagt, während seiner Amtszeit von 1992 bis 2010 ein korruptes System und Vetternwirtschaft in Moskau geprägt zu haben.

Der langjährige Freund und Geschäftspartner des Geschwisterpaares Shalva Chigirinsky erzählt, wie sich Elena ihren Weg nach oben gebahnt haben soll: "Sie machte sich Luschkows Macht zunutze, um sich zu bereichern." Die juristische Situation in Russland beschreibt er als sehr problematisch, er spricht von "Telefonjustiz" – jemand rufe den Richter an und erteile Weisungen.Weite Teile des Systems seien unterwandert, darum würden viele Russen auf andere europäische Gerichte ausweichen.

Vorwürfe vom Bruder

Ähnliche Vorwürfe erhebt Bruder Viktor zur korrupten Justiz – er saß selbst mehr als fünf Jahre im Gefängnis. Man warf ihm Finanzvergehen und Liegenschaftsbetrug vor. Bezüglich der Abfindung, um die es jetzt geht, habe kein russisches Gericht seine Klage akzeptiert, deshalb versuche er es nun in Tirol.

Baturina ortet haltlose Anschuldigungen, sagt ihr Sprecher. Sie hätte 2011 nach einer Kampagne gegen ihren Mann Russland verlassen müssen und bei der Verurteilung von Viktor 2013 keine Möglichkeit gehabt, irgendjemanden zu beeinflussen. Die Verfahren gegen ihren Bruder seien außerdem nicht von ihr ausgegangen. (Andreas Danzer, 5.8.2020)