Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil, normal ein offensivgeistiger Hemdsärmler, beginnt nachdenklich zu werden.

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Der Crash der Commerzialbank Mattersburg bespielt seit dem Wochenende endgültig auch die politische Arena. SPÖ-Landeshauptmann Hans Peter Doskozil hat am Montag wütend auf Medienberichte reagiert, wonach Landesunternehmen durch Insiderwissen vorzeitig Geld abgezogen hätten. Bald darauf gestand er ein, dass die Landestochter RMB dies zumindest versucht hat. Hier die wichtigsten Punkte zum Verständnis der sich nun abzeichnenden Schlammschlacht.

Frage: Was hat wer wann von Konten der Commerzialbank abgehoben?

Antwort: Einschlägige Gerüchte gab es seit der Schließung der Bank am 14. Juli. Der Kurier hat konkretisiert: Das RMB – eine Landestochter, die für die Abwicklung von EU-Förderungen zuständig ist – habe spätabends, zwei Stunden vor dem Shutdown 1,2 Millionen Euro abgezogen. Doskozil nannte das am Montag Lüge, gestand später ein, dass dies zumindest versucht wurde. Erklärte aber auch, dass 24 Stunden vor dem Shutdown bis zu zehn Millionen tatsächlich abgezogen wurden. Von wem? Das sagte er nicht.

Frage: Der Crash der Bank ist somit auch ein Politikum. Warum?

Antwort: Der Bankchef war zugleich auch der Chef des Bundesliga-Fußballvereins. Der SV Mattersburg war auch Trägerverein der Fußballakademie, deren Mehrheitseigentümer das Land ist. In der Sonne des Fußballs sonnen sich Politiker oft und gerne. Jetzt merkt man, dass diese Sonne eben auch einen Sonnenbrand verursachen kann.

Frage: Im Zentrum der Auseinandersetzung steht der zurückgetretene Wirtschaftslandesrat Christian Illedits. Was wird ihm vorgeworfen?

Antwort: Illedits ist ein Fußballfreund von Bankchef Martin Pucher, verbunden auch als einstiger Obmann des von der Bank gesponserten ASV Rasporak/Draßburg und als Aufsichtsrat der Fußballakademie. Zu seinem Sechziger hat ihm der SV Mattersburg ein zehn Deka schweres Goldblatt mit Gravur geschenkt. Heutiger Wert: mehr als 5000 Euro. Das war der offizielle Grund seines Rücktritts.

Frage: Stand die Bank einer politischen Partei nahe?

Antwort: Nein. Pucher war nicht rot, nicht schwarz, nicht blau oder grün. Sondern ausschließlich fußball.

Frage: Warum wird dann so viel politischer Wind gemacht?

Antwort: Seit Februar gibt es eine rote Alleinregierung und eine zum Mauerblümchendasein verdammte Opposition aus Türkis, Blau und Grün. Die wird nun nicht lockerlassen, den fast übermächtig gewordenen Landeshauptmann Hans Peter Doskozil zu attackieren, der ja auch bundespolitische Ambitionen hat. Er will – vielleicht wollte – der SPÖ eine neue Richtung geben.

Frage: Welche Auswirkungen hat der burgenländische Skandal auf die Bundes-SPÖ?

Antwort: Zuletzt war Doskozil bundesweit einer der aktivsten SPÖ-Politiker. Erst vergangene Woche hat er wieder laufend Interviews gegeben, in denen er den Verbleib Pamela Rendi-Wagners an der SPÖ-Spitze anzweifelte. Manche munkeln: Er wollte damit schon von der Causa Commerzialbank ablenken. Insofern die SPÖ also nicht politisch in den Skandal verstrickt ist, könnte Rendi-Wagner von der Causa womöglich sogar profitieren: Ihr ständiger Kritiker Doskozil steht spätestens seit dem Rücktritt seines Landesrats unter Druck.

Frage: Am 11. Oktober steht die Wien-Wahl an. Kommen die Querelen im roten Burgenland für die Wiener SPÖ nicht zur Unzeit?

Antwort: Angenehm ist es natürlich nicht. In der Landespartei gibt man sich dennoch gelassen: "Die Auswirkung eines Kriminalfalls in Mattersburg auf Wien wird sich in Grenzen halten", heißt es aus der SPÖ Wien. "Es ist schließlich ein burgenländischer Skandal."

Frage: Wohin ist das viele Geld aus der Bank verschwunden?

Antwort: Aus jetziger Sicht war in der Mattersburger Regionalbank ein Geschäftsvolumen von rund 680 Millionen Euro gefälscht, Kredite und eigene Einlagen, die die Bank bei anderen österreichischen Geschäftsbanken gehabt haben will. Und das bei einer Bilanzsumme von rund 800 Millionen Euro. Die Frage, die die Ermittler nun klären müssen: Wo ist jenes Geld hinverschwunden, das es wirklich gab? Es gab ja auch echte Kredite – aber auch da dürften die Banker kein besonders glückliches Händchen bewiesen haben: Die Rate an notleidenden Krediten lag nämlich bei recht hohen acht Prozent (NLP-Quote, sie bezieht sich auf die Bilanzsumme). Zudem gab es hohe Ein- und Auszahlungen in bar, für diese war laut übereinstimmenden Aussagen von Exbankchef Martin Pucher und Exmanagerin K. Chef Pucher persönlich zuständig. Was Pucher mit dem Bargeld getan hat, das ist noch nicht geklärt.

Frage: Wie viel Geld ist aus der Bank tatsächlich abgeflossen?

Antwort: Das ist Gegenstand der Ermittlungen. Was aber schon jetzt klar ist: Über Jahrzehnte wurde mit dem Geld eine verlustreiche Bank finanziert. Die hatte ja wenig (echtes) Geschäft, Aufwand für Filialen in Orten, in die sich sonst keine Bank verirrte, und seinen Firmenkunden zahlte das Institut hohe Zinsen, zuletzt 0,5 Prozent. Dass es trotzdem hohe Zinserträge auswies, lag an Kreditzinsen von bis zu 20 Prozent, allerdings waren die Kredite dahinter erfunden. Einiges an Geld landete auch beim Staat. Die Bank wies (fiktive) Gewinne aus und zahlte entsprechende Steuern dafür. (Wolfgang Weisgram, Katharina Mittelstaedt, Renate Graber, 5.8.2020)