Harmlose Coronaviren sind omnipräsent und tun nichts Schlimmeres, als einen Schnupfen auszulösen. Möglicherweise hilft das dem Körper dann auch bei einer späteren Sars-CoV-2-Infektion.
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Ein Schnupfen könnte dazu führen, dass das menschliche Immunsystem besser auf eine spätere Infektion mit Sars-CoV-2 eingestellt ist und die Krankheit dadurch einen leichteren Verlauf nimmt: Diesem Ansatz geht derzeit ein Team um die in den USA tätige Tiroler Forscherin Daniela Weiskopf nach. Gleich zu Beginn muss aber einschränkend angemerkt werden, dass das bei weitem nicht jeder Schnupfen bewirken könnte. Es müsste schon der "richtige" sein: einer, der durch harmlose Coronaviren ausgelöst wird.

Schnupfen ist im Kern eine infektiöse Entzündung der Nasenschleimhaut, wofür Bakterien ebenso wie Viren verantwortlich sein können. Letztere kommen aus ganz unterschiedlichen Gruppen. Unter anderem können verschiedene Rhinoviren, Adenoviren oder Influenzaviren das typische Schnupfen-Krankheitsbild auslösen – aber auch weit verbreitete Coronaviren wie HCoV-OC43, HCoV-229E, HCoV-NL63 oder HCoV-HKU1. Diese Coronaviren sind harmlos, ihre Verwandtschaft mit Sars-CoV-2 könnte dem Körper aber dabei helfen, sich vorab auf das Pandemie-Virus einzustellen.

T- und B-Lymphozyten

Die Gruppe am La Jolla Institute for Immunology in Kalifornien hat sich bereits im Juli im Rahmen einer in "Science Immunology" vorgestellten Studie mit der Rolle von T-Zellen auseinandergesetzt. T-Zellen oder T-Lymphozyten, eine Untergruppe der weißen Blutkörperchen, sind eine der Komponenten des menschlichen Immunsystems. Im Gegensatz zu den B-Lymphozyten bilden sie keine Plasmazellen, die dann spezifische Antikörper gegen ein Virus ausschütten, sondern müssen ihre Zielstrukturen direkt auf der Oberfläche des Erregers erkennen.

Das Team konnte feststellen, dass spezielle T-Zellen in überraschend hohem Ausmaß auf den Pandemie-Erreger ansprechen. Schon in der ersten Untersuchung konfrontierten die Forscher auch ältere Blutproben aus den Jahren 2015 bis 2018 mit dem neuen Virus. Dabei fiel ihnen auf, dass T-Zellen in fast der Hälfte der lange vor der Covid-19-Pandemie entnommenen Proben eine Reaktion auf Teile des Virus zeigten. Hier könnte man es mit Kreuzimmunitäten zu tun haben, "die von normalen in der Bevölkerung zirkulierenden Schnupfenviren verursacht werden", sagt Weiskopf.

Im Kampf gewonnene Informationen werden genutzt

Dieser Vermutung ist Weiskopf nun zusammen mit ihrem Kollegen Jose Mateus für eine neue, in "Science" veröffentlichte Studie nachgegangen. Erneut konfrontierten die Forscher vor dem Jahr 2019 entnommene Blutproben mit über 100 Teilen des neuen Coronavirus. Dabei zeigte sich, dass in vielen Fällen T-Zellen sowohl auf Sars-CoV-2 als auch auf harmlose schnupfenauslösende Coronaviren reagierten. Die stärksten Immunantworten löste das charakteristische Spike-Protein von Sars-CoV-2 aus, welches das Virus zum Eindringen in die menschlichen Zellen benutzt.

Trifft die Vermutung der Forscher zu, lohnt es sich einmal mehr, dass das Immunsystem mehrgleisig fährt. Zwar können die T-Zellen keine Antikörper bilden – dafür unterliegen sie auch nicht den damit verbundenen Beschränkungen. Antikörper sind auf konkrete Viren zugeschnitten und neutralisieren allenfalls dessen engste Verwandte.

Bei den T-Zellen scheint das Spektrum breiter zu sein – im konkreten Fall können sie offenbar die Informationen, die sie im Kampf gegen einen harmlosen Corona-Schnupfen erworben haben, auch gegen den gefährlichen neuen Erreger nutzen. Laut Weiskopf und ihren Kollegen könnte das zumindest ein Stück weit erklären, warum die Covid-19-Erkrankung derart unterschiedliche Verläufe nimmt. (red, 5.8.2020)