Weingüter wie diese sind für chinesische Investoren attraktiv. Immer öfter kaufen sie sich in Bordeaux ein – nicht unbedingt zur Freude der dort ansässigen Franzosen.

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Der diskrete Charme der chinesischen Bourgeoisie wirkt auch im Weingut. Der Swimmingpool ist von außen unsichtbar, der riesige Fernsehschirm in die Stilmöbel versenkbar. "Ein Karaoké-Schirm", berichtigt Li Lijuan, die durch das von Reben umgebene Château Milord führt. "Wissen Sie, der Besitzer singt gerne."

Schade, der musikalische Besitzer ist nicht da. Er heißt Edwin Cheung und ist Investor in Hongkong. Als vielbeschäftigter Geschäftsmann verbringt er wenige Wochen im Jahr auf Schloss Milord im Bordeaux-Gebiet. Aber wenn er da ist, lädt er gerne seinen Nachbarn zu einem heiteren Gesangswettbewerb ein, wie Frau Li erzählt. Der Nachbar ist Jack Ma, Begründer der Onlineplattform Alibaba.com – und derzeit reichster Chinese.

Edwin Cheung und Jack Ma sind nicht die einzigen Chinesen, die auf den Geschmack des größten Weingebietes der Welt gekommen sind. Offizielle Zahlen sind nicht erhältlich, doch Li schätzt: "In den letzten Jahren dürften chinesische Investoren aus der Volksrepublik, Hongkong oder Taiwan im Bordelais über 200 Weingüter erstanden haben." Nochmals so viele Dossiers seien anhängig, sagt die Maklerin.

Laut Li Lijuan ebbt die Nachfrage nach französischen Weingütern in China nicht ab.
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Einige Chinesen wollen ihre Weingüter wegen der Corona-Krise wieder verkaufen, hat Li gehört. "Aber unter dem Strich bleibt die Nachfrage aus Asien intakt. Chinesische Investoren sehen in der Krise eine günstige Gelegenheit, da die Preise fallen. Ich biete hier im Bereich ‚Entre deux mers‘ ein Weingut, das vor Corona 1,5 Millionen Euro wert war, derzeit gerade für eine Million an."

Krise oder nicht, Li arbeitet mehr denn je. Als die Pandemie nach Frankreich kam, fürchtete sie um ihren Job. Zumal ein neues Gesetz der Volksrepublik China den Kauf von Immobilien im Ausland erschwert. "In Hongkong und Taiwan gibt es aber noch genug Kaufinteressenten." Allen gefällt das nicht. Im Bordelais und darüber hinaus rümpfen viele die Nase über die Neowinzer aus Fernost. "Muss man einer von Invasion sprechen?", fragte die sonst eher zurückhaltende Zeitung Le Monde schon vor der Corona-Krise, um gleich selbst zu antworten, im Bordelais herrsche "die alte Angst vor der gelben Gefahr".

Wobei die Angst größer scheint als die Invasion: Die rund 300 chinesischen Châteaux machen bisher nur drei Prozent der insgesamt 10.000 Bordeaux-Weingüter aus.

Wenig Freude bei Franzosen

Li Lijuan hat ihre eigenen Erfahrungen gemacht. "Einmal sagte mir eine ortsansässige Frau, ich sei eine ‚emmerdeuse‘", eine Störenfriedin. Wenn die Chinesin mit ihrem offenen Vintagesportwagen durch die kleinen Weindörfer fährt, folgen ihr kalte, abweisende Blicke. Gar von Rassismus spricht Li. Die Warnungen vor einer angeblichen "Invasion" mag sie nicht mehr hören. Zudem träten Chinesen hier sehr zurückhaltend auf: "Meist kaufen sie mittlere Weingüter für 20.000 Euro pro Hektar. Das ist nichts gegen die teuersten Châteaux, die das Hundertfache des Preises erreichen – bis zu zwei Millionen Euro pro Hektar."

Käufer wollen Rendite erzielen

Weltbekannte Namen wie Pauillac oder Margaux ziehen die chinesischen Investoren kaum an. Jack Ma überließ den Bieterwettbewerb um zwei Grands Crus in beiden Fällen französischen Käufern. Lily ist sich sicher: "Er hätte sie mit links ausstechen können." Warum hat er nicht? "Château Lafite, das klingt natürlich schick", räumt sie ein. "Aber ich verrate Ihnen ein Geheimnis: Chinesen verlieren nicht gerne Geld. Anfangs kauften sie die Weingüter in erster Linie, weil sie hübsch aussahen; um die Weinqualität kümmerten sie sich weniger. Das ist vorbei. Heute wollen die Käufer eine Rendite erzielen. An die Prestigenamen werden sie sich erst wagen, wenn sie die nötige Erfahrung mit Wein haben."

Eine, die bereits eine lange Erfahrung als Winzerin mitbringt, ist die Schauspielerin und Sängerin Zhao Wei. Sie hat in Frankreich kürzlich ihr viertes Weingut erworben. Auch das sorgte in der Gegend für herablassende Kommentare. Doch der Bühnenstar ist in Bordeaux nicht auf Glamour aus. Die 44-jährige Chinesin interessiert sich wirklich für Weinkultur: Unlängst fand sie Aufnahme in die "Jurade de Saint-Emilion", eine der selektivsten Bruderschaften der örtlichen Winzerzunft.

Französische Winzer rümpfen mitunter über die Konkurrenz ihre Nase.
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Einen Entrüstungssturm löste ein Newcomer namens Chi Keung Tong aus. Er kauft nicht nur Weingüter, sondern tauft sie gleich auch um. Heute tragen Larteau oder Tour Saint-Pierre so exotische Namen wie "Kaiserlicher Hase" und "Tibetanische Antilope".

Der französische Schriftsteller Philippe Sollers ärgerte sich in einem offenen Brief darüber. Den Bürgermeister von Bordeaux fragte er, ob man den Besitzer nicht zwingen könne, "diesen jahrhundertelang gewachsenen Wein nach seiner legitimen Herkunft zu benennen". Das heißt: auf Französisch.

Keine asiatische Spezialität

Allein, der Besitzer bleibt bei "Château Lapin d’Or" – Schloss Goldhase. Li Lijuan schüttelt den Kopf, allerdings nicht über den unüblichen Namen. Sie stört sich an der Reaktion der Einheimischen; im Bordelais, sagt sie, änderten die Weingüter ab und zu ihren Namen, das sei keine asiatische Spezialität.

Auch luchsten ihnen die chinesischen Kaufinteressenten die Weinschlösser keineswegs hintenrum ab, sagt die Vermittlerin: "Sie übernehmen offen ausgeschriebene Güter." So war es auch in Château Milord: Edwin Cheung erstand die Weinberge von der fünften Generation der französischen Winzerfamilie Large.

Die sechste Generation kommt nun aus China. (Stefan Brändle aus Grézillac, 6.8.2020)