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Teams von Ärzte ohne Grenzen waren bereits auf mehreren Schiffen im Mittelmeer – zuletzt auf der Ocean Viking.

Foto: Hannah Wallace Bowman/MSF/Handout via REUTERS

Nachdem die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (MSF) im April die Zusammenarbeit mit der NGO SOS Méditerranée beendet hatte, hat sie nun erneut ein Schiff gefunden, um mit medizinischem Personal im Mittelmeer präsent zu sein.

Das vom Bündnis United 4 Rescue zur Verfügung gestellte Such- und Rettungsschiff Sea-Watch 4 soll unter deutscher Flagge "in Kürze zu seinem ersten Einsatz im Mittelmeer aufbrechen", hieß es in einer Aussendung am Donnerstag. Gemeint ist Mitte August. Die operativen Einsätze an Bord werden von der deutschen NGO Sea-Watch verantwortet und durchgeführt, MSF ist mit vier medizinischen Mitarbeitern – einer Ärztin und einer Hebamme sowie zwei weiteren Helfern – an Bord. Hinter United 4 Rescue stehen mehr als 550 Organisationen.

Im spanischen Hafen

"Niemand darf in Verhältnisse zurückgezwungen werden, in denen Tod, Folter und Ausbeutung drohen", sagt Oliver Behn, Leiter der Projektabteilung von Ärzte ohne Grenzen in Amsterdam, in der Aussendung. "Doch genau dies ist die Folge der Politik der europäischen Staaten, die staatliche Seenotrettung weitgehend eingestellt haben, die zivile Seenotrettung behindern und die Menschen durch die libysche Küstenwache ins Konfliktgebiet zurückbringen lassen." Behn weist während eines Pressebriefings darauf hin, dass MSF keinen Unterschied macht, welche Leben die Organisationsmitarbeiter retten: "Wir sind während der Covid-19-Pandemie auch in europäischen Staaten aktiv."

Noch liegt das Schiff im spanischen Hafen von Burriana und wird auch von dort in Richtung Such- und Rettungszone vor Libyen auslaufen. Die Besatzung wartet noch auf die letzten Crewmitglieder, die ihre 14-tägige Quarantäne beenden müssen, um coronafrei in den Einsatz zu starten. An Bord wird es zudem ein strenges Protokoll geben, um mögliche Infektionen mit dem Coronavirus zu vermeiden.

Kritik an behördlicher Schikane

Mit der Sea-Watch 4 wäre wieder ein privates Such- und Rettungsschiff auf der gefährlichen Fluchtroute unterwegs, nachdem vor kurzem mit der Ocean Viking von SOS Méditerranée in Italien das bislang letzte festgesetzt worden war. In einem Statement, das am Dienstag veröffentlicht wurde, prangern die NGOs Sea-Eye, Sea-Watch und SOS Méditerranée das Vorgehen der Behörden gegen ihre Schiffe als Schikane an. Ebenso wie die Ocean Viking werden auch die Sea-Watch 3 und die Alan Kurdi in italienischen Häfen festgehalten. Alle drei sollen technische Mängel aufweisen, heißt es von den zuständigen Behörden.

In den vergangenen acht Wochen dokumentierte die Besatzung der Aufklärungsflieger Moonbird und Seabird von Sea-Watch, dass sich mindestens 2.100 Menschen in jener Zeit auf der Route von Libyen nach Europa in Seenot befunden hätten. Erst vergangene Woche wurden Berichte öffentlich, wonach die libysche Küstenwache auf mehrere Migranten geschossen habe, nachdem sie diese im Meer abgefangen und nach Khoms zurückgebracht hatte.

Laut Erzählungen von MSF-Einsatzkräften vor Ort wurden drei Personen im Alter zwischen 15 und 18 Jahren erschossen, weil sie vor den Behörden fliehen wollten. Zwei Verletzte wurden mit Schusswunden von MSF-Mitarbeitern ins Krankenhaus gebracht. Sie wollten der Inhaftierung in einem der international stark kritisierten Anhaltezentren Libyens entgehen. Immer wieder werden Berichte über schwere Menschenrechtsverletzungen in diesen Einrichtungen öffentlich. (Bianca Blei, 6.8.2020)