Den Satz kennen Sie: "Radfahren in der Stadt? Viel zu gefährlich!" Ja eh, theoretisch wäre Radfahren in der Stadt super: Zum Supermarkt. Ins Kino. Zu Freunden. Zur Arbeit. In die Schule. Moment : In die Schule? Kinder? Am Rad im Stadtverkehr? Sind Sie wahnsinnig? Schauen Sie sich diese schmalen Radstreifen an … Wie knapp die Autos … Wie schnell …

Typologie

Wenn Sie so denken, sind Sie nicht alleine. Menschen ticken ähnlich. Überall – auch, wenn es ums Radfahren geht. Und zum Stadt-Radfahren gibt es vier Zugänge. Vier Typen oder Gruppen: Zunächst die Unerreichbaren. Die wollen oder können nicht Rad fahren. Das sind 33, nach manchen Zählungen 37 Prozent der Bevölkerung. Ihnen gegenüber stehen jene, die sich – drastisch formuliert – "nix scheissen". Sie fahren. Punkt. "Strong & Fearless" nennt man dieses eine Prozent. Dann kommt "Enthusiastic & Confident": sieben bis neun Prozent des Stadtvolkes sind "überzeugt und zuversichtlich".

Bleiben rund 60 Prozent. Die Mehrheit. Sie ist "interested but concerned", frei übersetzt "bereit aber besorgt": Grundsätzlich gern, aber …

Portland hat vier Typen von Fahrradfahrern ausgemacht.
Screenshot: www.portlandoregon.gov

Diese Zahlen sind weltweit ähnlich. Nicht erst seit Portland sie 2005 erhob: Die US-Stadt wollte den Radverkehrsanteil (damals sieben Prozent) anheben – und betrieb Grundlagenforschung. Die Ergebnisse bestätigten "the obvious": "Strong & Fearless" und "Enthusiastic & Confident" fuhren, "Concerned" aber hatte Angst. Angst vor Autos: Tempo, Straßen, Türen, (Nicht-)Abstände …

Auto oder Rad

Das Fazit? Eine Binsenweisheit: Wer Menschen aufs Rad bringen will, muss Autos bändigen. Sie bremsen und reduzieren. Ihnen Raum und Wucht im Alltag und Wertigkeit und Vorrang im Denken nehmen. Sonst bleibt alles, wie es ist. Sonst fahren weiter nur Starke, Angstlose, Missionare und Optimisten. Doch für die vielgepredigte "Verkehrswende", für effiziente Klimapolitik, braucht man die interessierte besorgte Mehrheit.

Was das mit uns zu tun hat? Nun: Wien hat einen Radverkehrsanteil von sieben Prozent. Aber wie oft haben Sie "fein wäre es schon, aber es ist zu gefährlich" schon gehört? (Thomas Rottenberg, 6.8.2020)